Verbund zu Wasserstoff-Infrastruktur: „Österreich liegt gut im Rennen“

29. Juni 2023, Linz

Grüner Wasserstoff für Industrie, Schwerverkehr, Kraftwerke, nicht aber für Haushalte

Wasserstoff ist eine der Kernstrategien des Energiekonzerns Verbund. Der deutsche Diplomkaufmann Hamead Ahrary (50), der seit 2022 diesen strategischen Bereich leitet und vorher 20 Jahre in der Gaswirtschaft (BASF, Wingas) gearbeitet hat, staunt selbst über die Geschwindigkeit, mit der hier Neues aufgebaut wird.

OÖN: Wasserstoff gilt als Schlüsselmedium für die Energiewende. Wo werden wir überall Wasserstoff einsetzen?Wird die Million heimischer Haushalte, die heute mit Erdgas heizen, auf Wasserstoff umstellen können?

2040 werden wir ein sehr breites Feld an Einsatzgebieten für Wasserstoff haben: In der Industrie müssen viele Produktionsprozesse, die aktuell mit grauem Wasserstoff, also mit aus Erdgas erzeugtem Wasserstoff, arbeiten, auf grünen Wasserstoff umgestellt werden. Der Schwerlastverkehr, also Schifffahrt und Lkw-Verkehr, wird auf Wasserstoff umstellen und die Kraftwerke und Teile des Wärmebereichs werden bis 2040 dekarbonisiert sein müssen und auf Wasserstoff umgestellt haben. Im Individualverkehr sehe ich den Wasserstoff aktuell nicht, auch nicht in den Haushalten als Ersatz für Erdgas zum Heizen. Hier ist sicher die Wärmepumpe die bessere Alternative. Wohnungen mit Wasserstoff zu beheizen, ist nicht Teil der österreichischen Wasserstoff-Strategie. Wir beschäftigten uns somit nicht mit der Frage, wie wir unsere Gaskunden auf Wasserstoff umstellen könnten.

Wie viel Wasserstoff wird Österreich 2040 brauchen, wenn alle Systeme klimaneutral sind?

Aktuell hat Österreich einen Bedarf von rund 160.000 Tonnen Wasserstoff im Jahr, der muss mit grünem ersetzt werden. Bis 2035 erwarten wir einen Bedarf von 600.000 Tonnen, bis 2040 rund 1,8 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff. Die Grundlage für die Erzeugung von grünem Wasserstoff ist der massive Ausbau der erneuerbaren Energie. Doch es wird nicht möglich sein – auch nicht langfristig – in Österreich den Bedarf an grünem Waserstoff aus lokaler Produktion zu decken. Ab 2030 werden wir ihn in großen Mengen importieren.

Werden wir das zeitgerecht schaffen, entsprechende Wasserstoff-Netze aufzubauen, das Erdgasnetz ist schließlich Jahrzehnte gewachsen?

Ich bin da guter Dinge, sowohl für die ganze Branche als auch für den Verbund. Wir liegen gut im Rennen. Aber wir müssen den Grundstein in den nächsten sieben Jahren legen. Wir werden eine Parallelzeit von Erdgas- und Wasserstoff-Wirtschaft haben, in der auch Pipelines mit beiden Gasen parallel (in verschiedenen Rohren, die teils schon jetzt bestehen, Anm.) geführt werden. Es müssen auch Leitungen neu gebaut werden. Jetzt wissen wir bereits, dass es geht und die Pipelines die günstigste Form des Wasserstoff-Transports sind. Jetzt stehen wir mitten in der Vorbereitungsphase: Wie gehen wir es an? Welche geeigneten Routen wird es geben? Was ist der Kapitalbedarf, wie schauen die regulatorischen Rahmenbedingungen aus? Das geht mit sehr großer Geschwindigkeit voran. Es gibt ein enges Miteinander zwischen Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. Wir haben ein gutes Gefühl, dass Österreich bis 2030 ein funktionierendes Wasserstoff-System aufgebaut hat.

Welche Importrouten werden genutzt werden?

Wir haben uns das angeschaut nach den Kriterien, ob man dort zu niedrigen Kosten mit grünem Strom Wasserstoff erzeugen kann, ob es bereits eine logistische Verbindung gibt und seriöse Absicht des jeweiligen Landes besteht. Wir haben sehr viele Gespräche geführt und Vereinbarungen mit einigen Partnern geschlossen, etwa mit einem aus Saudiarabien und Abu Dhabi.

Welchen Beitrag leistet dazu der Verbund?

Wasserstoff ist eine von drei Stoßrichtungen im Konzern. Kurzfristig konzentrieren wir uns auf die lokale Produktion von Wasserstoff. Aktuell planen wir am Standort der Borealis in Linz eine 60 MW-Elektrolyse, die erheblich größer ist wie die H2FUTURE mit Voestalpine und Siemens, das wird dann schon Wasserstoff-Produktion im industriellen Stil sein. Mit der Burgenland Energie werden wir ab 2026 mit erneuerbarer Energie bis zu 40.000 Tonnen grünen Wasserstoff im Jahr im Endausbau produzieren, das ist schon in der ersten Stufe etwa die Dimension vom Borealis-Projekt. Eine Pipeline zu großen Abnehmern im Osten Österreichs muss gebaut werden.

„Wir haben ein gutes Gefühl, dass Österreich bis 2030 ein funktionierendes Wasserstoff-System aufgebaut hat.“
Hamead Ahrary, Leiter des Bereichs Wasserstoff beim Verbund

Oberösterreichische Nachrichten