Metalle der Zukunft in den Händen weniger

12. Juli 2023, Wien

Rohstoffe. Die Welt könnte bald genug kritische Rohstoffe aus der Erde holen, um die angepeilte Energiewende zu stemmen. Doch das hat seinen Preis. An der Abhängigkeit des Westens ändert sich nichts.

Zwei Jahre ist es inzwischen her, dass die Internationale Energieagentur (IEA) erstmals laut Alarm geschlagen hat: Wenn die Welt nicht bald mehr kritische Rohstoffe und seltene Erden fördere, werde der Traum von der grünen Wende in sich zusammenfallen, lautete die dystopische Ansage des Energie-Thinktanks der reichen Länder damals. Denn ohne Kupfer, Lithium, Kobalt oder Nickel könnten die Massen an Windrädern, Solaranlagen, Elektroautos und Stromspeicher gar nicht erst gebaut werden. Der Weckruf verhallte nicht ungehört: Europa, die USA und China haben ihre Strategien zur unabhängigen Versorgung mit grünen Rohstoffen vorgelegt sowie die Fördermittel bereitgestellt. Unternehmen stampfen im Wochentakt neue Bergbauprojekte aus dem Boden – die Probleme aber sind geblieben.

Denn noch schneller als das Angebot an kritischen Rohstoffen ist die Nachfrage aus dem Energiesektor gewachsen. Nicht nur China, auch Europa und die USA haben beim Ausbau der Fotovoltaik im Vorjahr alle Rekorde gebrochen, die Windkraft steht nach zwei Jahren Flaute vor einem Comeback. Die Zahl der erzeugten Elektroautos stieg 2022 um 60 Prozent auf mehr als zehn Millionen Stück. Der Absatz an elektrischen Stromspeichern hat sich gar verdoppelt. Die Folge: Zwischen 2017 und 2022 hat sich die Nachfrage des Energiesektors etwa nach Lithium mehr als verdreifacht, jene nach Kobalt um 70 Prozent gesteigert. Inzwischen landen 56 Prozent des gesamten Lithiums in grüner Technologie. Vor fünf Jahren waren es noch 30 Prozent. Bei Kobalt ist der Bedarf des Energiesektors von 17 auf 40 Prozent gestiegen, bei Nickel von sechs auf 16 Prozent.

Lithium aus Kärnten bleibt Ausnahme

Immerhin habe der Kapitalmarkt seine Funktion erfüllt und die Investitionen der Konzerne in neue Produktions-und Verarbeitungsstätten seien kräftig nach oben gegangen, sagt IEA-Chef Fatih Birol. In den vergangenen beiden Jahren gaben die Unternehmen um die Hälfte mehr Kapital für das Suchen und Finden kritischer Rohstoffe aus als in den Jahren zuvor. Ein Großteil des Booms fand in Staaten wie China, Kanada, Australien, Afrika und Brasilien statt. Auch die EU wurde fündig, ja selbst in Kärnten soll bald Lithium abgebaut werden. „Wenn alle heute angekündigten Projekte auch in die Produktion gehen, wird es genug kritische Rohstoffe geben, um die Klimaziele zu erreichen, die sich die Staaten bisher gesetzt haben“, sagt Birol. Sollen ab der Jahrhundertmitte unter dem Strich gar keine Treibhausgase mehr emittiert werden, hätte die Welt mit ihren Ausbauplänen immerhin schon 75 Prozent des notwendigen Materials gesichert. Vor zwei Jahren lag die Quote bei 50 Prozent.

Ein Grundproblem, das vor allem westliche Staaten und Unternehmen haben, ist damit aber nicht gelöst: Die Rohstoffe bleiben in den Händen weniger Akteure auf dem Markt. Das trifft vor allem westliche Wirtschafsmächte wie die EU. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) beklagte erst kürzlich, dass Europa bei 14 kritischen Rohstoffen völlig von Importen abhängig sei. Und da vor allem von Ländern, deren demokratische Standards unterhalb jener der Türkei einzustufen sind -und die somit als wenig zuverlässige Lieferanten gelten. Der Versuch des Westens, seine Rohstofflieferanten zu diversifizieren, ist bisher gescheitert. Das stimmt im Abbau selbst, bei dem Länder wie China, Australien, Chile oder die Demokratische Republik Kongo in ihren Feldern jeweils den Markt dominieren. Viel stärker ist die Abhängigkeit jedoch bei der Verarbeitung der Rohstoffe. Hier hat sich die Marktmacht der größten Akteure zuletzt noch verstärkt. Daran wird auch die Welle an neuen Projekten nichts ändern: Die Hälfte aller neu geplanten Lithium-Chemiewerke wird im Branchenprimus China entstehen. Indonesien, führend in der Verarbeitung von Nickel, wird neun von zehn neuen Nickelraffinerien umsetzen.

Die Konsequenzen für den Westen sind zunächst monetärer Natur. Neben Gefahr politischer Ausfuhrbeschränkungen, die die Produktion zuletzt bedroht hatten, mussten europäische Abnehmer zuletzt vor allem mit rapiden Preisanstiegen kämpfen. Zudem legt auch der Anteil der Rohstoffkosten an den Gesamtkosten grüner Technologie weiter zu. Machte das Kathodenmaterial für Akkus für Elektroautos (meist Nickel, Kobalt und Mangan) vor wenigen Jahren nicht einmal fünf Prozent der Gesamtkosten aus, so sind es heuer schon 40 Prozent.

Es wird teurer und bleibt schmutzig

Die Zeit der stetig fallenden Preise für Erneuerbare ist vorbei. Im Vorjahr wurden erstmals Akkus für E-Autos und Stromspeicher teurer. Ohne breite Lieferantenbasis werden auch neue Projekte den Preis für die Käufer im Westen nicht dämpfen. Auch die Umweltprobleme der „grünen“ Metalle haben sich durch den jüngsten Boom nicht gebessert. Die Kohlendioxidemissionen je Tonne blieben in den letzten Jahren konstant hoch, der Wasserverbrauch je Tonne hat sich zwischen 2018 und 2021 sogar verdoppelt. Schuld seien auch die Konsumenten, so die IEA in ihrem Bericht: Es gebe „wenig Anzeichen, dass die Endkunden saubere Rohstoffe für ihre grünen Technologien bevorzugen würden“.

Die Presse