Großer OMV-Gasfund ist gar nicht so groß

3. August 2023, Wien

30 Windräder erzeugen gleiche Energiemenge wie das Gas aus dem Weinviertel bei der Wärmeerzeugung

Die Heizsaison scheint im Hochsommer weit weg. Dennoch erhitzt das Thema Gas die Gemüter. Während Österreichs größter Energiekonzern OMV am Freitag den größten Gasfund im Inland seit Anfang der 1980er-Jahre verkündete, hagelte es kurz darauf Kritik an dem Plan, dieses Gas auch zu nutzen. Insbesondere aus der Erneuerbaren-Energien-Szene kommt Ablehnung. Man sollte das Gas am besten dort belassen, wo es ist: eingeschlossen in Gesteinsschichten in knapp 5000 Meter Tiefe.

Auf 48 Terawattstunden (TWh) schätzen OMV-Spezialisten die förderbaren Gasmengen in Wittau, einem Ortsteil von Groß-Enzersdorf. Das entspreche rund 28 Millionen Fass (je 159 Liter) Öläquivalent. Zum Vergleich: Der Jahresverbrauch von Gas lag in Österreich im Schnitt der Jahre 2017 bis 2021 bei rund 95 TWh und ging im Vorjahr – nicht zuletzt aufgrund der Sparbemühungen und des vergleichsweise milden Winters – auf 86,4 TWh zurück.

Mit dem Gasfund könne die jährliche Gasproduktion in Österreich um 50 Prozent erhöht werden, sagte OMV-Chef Alfred Stern. Derzeit holt der teilstaatliche Öl- und Gaskonzern im Inland täglich 16.000 Fass Kohlenwasserstoffe aus dem Boden, die Hälfte in Form von Gas. Kritiker weisen nun verstärkt darauf hin, dass die Erschließung neuer Gasquellen nicht vereinbar sei mit dem Ziel, die Dekarbonisierung möglichst rasch voranzutreiben.

Die geschätzte Energiemenge des Gasfeldes – rund 48 TWh – entspreche gerade einmal der Produktion von 100 Windrädern über die wahrscheinliche Nutzungsdauer des Gasfeldes von 25 Jahren, rechnete etwa die Interessenvertretung der Windkraftbetreiber vor. „Wenn der Strom der Windräder noch mittels Wärmepumpen veredelt wird, braucht es nicht einmal 30 Windräder, um die gleiche Wärmemenge bereitzustellen“, ließ die IG Windkraft wissen.

Kritisch zeigt sich auch Roger Hackstock – und relativiert die Größenordnung des Fundes. „Die Sonne braucht gerade einmal vier Stunden, um dieselbe Energiemenge (48TWh, Anm.) auf ganz Österreich einzustrahlen“, schreibt der Geschäftsführer von Austria Solar. Wie gering die Energiemenge in Wittau sei, lasse sich auch daran erkennen, dass sie nur knapp zwei Prozent (1,9 TWh) des Erdgasverbrauches in Österreich pro Jahr abdecken würde, wenn man von einer Nutzungsdauer des Gasfeldes von 25 Jahren ausgehe. „Alle Solarwärmeanlagen Österreichs erzeugen derzeit gleich viel Energie, wie das neue Gasfeld bringen würde“, meint Hackstock.

Differenzierter sieht das Vera Immitzer, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Photovoltaik Austria. „Wir werden Gas kurz- bis mittelfristig noch brauchen; grundsätzlich müssen wir darauf schauen, dass wir die Erneuerbaren verstärkt ausbauen. Photovoltaik kann irrsinnig viel Gas ersetzen, in den Haushalten, in den Unternehmen, indem Wärme mittels Strom bereitgestellt werden kann, entweder direkt oder indirekt über Wärmepumpen“, sagte Immitzer dem STANDARD. „Da müssen wir nicht CO₂-behaftete Fossile in Österreich fördern.“

Der Standard