Was der Gasfund im Marchfeld bedeutet

3. August 2023, Wien

An den umstrittenen Importen aus Russland will der teilstaatliche Konzern festhalten.Im ersten Halbjahr setzte es wegen der deutlich niedrigeren Öl- und Gaspreise einen Gewinneinbruch

Die OMV hat im Marchfeld ein neues Gasvorkommen gefunden. In Wittau, Bezirk Gänserndorf, lagert 5.000 Meter unter der Erde das größte Gasfeld, das in den vergangenen 40 Jahren in Österreich entdeckt wurde.
„Äußerst erfreulich“ findet das Konzernchef Alfred Stern. Um das Gasfeld zu erschließen, braucht die OMV zunächst eine Genehmigung für eine Pipeline zum zehn Kilometer entfernten Standort in Aderklaa. Die Förderung soll konventionell erfolgen, also ohne Einsatz der umstrittenen Fracking-Technologie.

Nach Schätzung der OMV können aus dem Feld über die Jahre insgesamt etwa 48 Terawattstunden (TWh) Gas gefördert werden. Die jährliche Inlandsgasförderung der OMV könnte dadurch um etwa 50 Prozent steigen, nach überschlagsartiger Berechnung also etwa von 5 auf 7,5 TWh. Zur Relation sei gesagt: Die Inlandsförderung von OMV, RAG und ADX VIE zusammen deckt weniger als zehn Prozent des österreichischen Verbrauchs von etwa 90 TWh pro Jahr ab.

Der wichtigste Gaslieferant Österreichs ist mit einem Anteil von mehr als 50 Prozent der importierten Menge unverändert Russland. An den Lieferungen von Gazprom soll sich laut Stern auch vorläufig nichts ändern. Das russische Staatsunternehmen liefere nach Schwankungen im Jahr 2022 seit Februar wieder 100 Prozent der vertraglich vereinbarten Mengen, aufgrund der Take-or-Pay-Klausel sei die OMV zudem „zur Abnahme verpflichtet“.
Lieferungen von BP Allerdings arbeite die OMV daran, ihre Gasquellen zu diversifizieren, sollten die Lieferungen aus Russland ausfallen, könnte der Konzern seine Kunden deswegen trotzdem beliefern.

Deutlich gewichtiger als die Inlandsproduktion sind allerdings Importe aus anderen Ländern. Die OMV gab am Freitag bekannt, einen Liefervertrag für Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG) mit der britischen BP unterzeichnet zu haben. Ab 2026 bekommt die OMV für zehn Jahre jährlich eine Million Tonnen LNG geliefert. Das entspricht etwa 14 TWh pro Jahr – also deutlich mehr, als in Österreich gefördert wird. Importiert wird LNG nach der Landung an europäischen Flüssiggas-Terminals über Pipelines. Für diese Importe hat sich die OMV kürzlich Transportkapazitäten gesichert. Eine „wichtige strategische Säule“ für die Versorgung in Europa soll laut Stern auch das Gasfeld Neptun Deep im Schwarzen Meer werden.

Gewinneinbruch
Weniger Grund zum Jubeln gaben der OMV die präsentierten Halbjahreszahlen. Der Konzernumsatz sank im Vergleich zum Vorjahr um gut ein Drittel. Das Ergebnis sei dennoch ein sehr gutes, wenn auch nicht mehr auf dem Rekordniveau des Vorjahres, sagte Stern. Der Rückgang sei „auf ein weniger günstiges Marktumfeld zurückzuführen“, konkret darauf, dass die Öl- und Gaspreise seit den Rekordständen in Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine im Jahr 2022 wieder deutlich gefallen sind.
Der durchschnittliche Preis für ein Fass (159 Liter) der Nordsee-Ölsorte Brent lag im ersten Halbjahr mit 80 Dollar um ein Viertel niedriger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Gas kostete mit durchschnittlich 47 Euro je Megawattstunde (MWh) etwa halb so viel. Dass der Gaspreis europaweit so stark gefallen ist (auf derzeit weniger als 30 Euro je MWh, Anm.) liegt vor allem daran, dass die Versorgung heuer im Gegensatz zum Jahr 2022 als gesichert gilt. Die österreichischen Gasspeicher sind bereits zu 87 Prozent gefüllt, in den anderen EU-Staaten zeigt sich ein ähnliches Bild.

Zugeknöpft gab sich Stern am Freitag, was die Zusammenlegung der Chemie-Tochter Borealis mit Borouge, der Chemie-Tochter von OMV-Anteilseigentümer Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) betrifft. Man sei „mitten in Verhandlungen“, weswegen er sich nicht zu Details äußern könne. Für die Zusammenlegung sprächen höhere Wachstumspotenziale und die Präsenz in Schlüsselmärkten

Kritiker des Deals befürchten, dass die OMV dabei die Kontrolle über Borealis verliert.

Kurier