Schatten über Chinas Solartechnologie

11. September 2023

Ein Großteil der Solarpaneele, die auch in Österreich eingebaut werden, stammt aus China. Viele von ihnen werden in der chinesischen Unruheprovinz Xinjiang hergestellt – wohl unter Zwangsarbeit.

In der Wüste Gobi in der Provinz Xinjiang, 2000 Kilometer von Peking entfernt, befinden sich Chinas größte Kohlevorkommen. Am Rande dieses Energieschatzes, im weit entlegenen Nordwesten des Landes, hat die chinesische Regierung daher die „Zhundong Economic and Technological Development Zone“ errichtet. Die Herstellung von Teilen, die zur Gewinnung erneuerbarer Energie benötigt werden, gehört hier zum Kerngeschäft, die Produkte werden in alle Welt exportiert. Besonders wichtig ist Polysilizium, das für die Erzeugung von Solarpaneelen benötigt wird. Vor allem im Kampf gegen die Klimakrise steigt die Nachfrage seit Jahren.

Fast die Hälfte des wichtigen Rohstoffs weltweit kommt aus Xinjiang und davon wiederum die Hälfte aus Zhundong.
Xinjiang ist aber auch jene Region, aus der seit Jahren Berichte über horrende Menschenrechtsverletzungen kommen. Die kommunistische Führung hat dort ein System von Lagern errichtet, in denen zeitweise bis zu eine Million Uiguren interniert sind. „Weiterbildung“ nennt die Regierung das und weist die Vorwürfe zurück. Teil des Systems ist auch Zwangsarbeit, wohl auch in der Herstellung von Solarpaneelen. Das geht von der Aufbereitung des Rohstoffs bis zur eigentlichen Fertigung der Paneele. Vier der weltweit größten Firmen, die Solarpaneele herstellen, agieren von Xinjiang aus. Egal welcher Schritt in dem Prozess betroffen sei, es sei quasi unmöglich, bei Produkten aus China Zwangsarbeit auszuschließen: Zu diesem Schluss kam bereits 2021 eine Studie der Sheffield Hallam University.

China übernahm den Markt

Somit hat die weltweite Solarindustrie dunkle Schattenseiten, die für viele klimabewusste Energienutzer im Verborgenen bleiben. Der chinesische Erfolg ist jung – noch 2005 kontrollierten Firmen aus den USA, Japan und Deutschland den Markt. Heute hat ihn China quasi komplett übernommen. Riesenprojekte wie Zhundong haben sich bezahlt gemacht: Man ist hier nahe an den Rohstoffen, die Ansiedelung von Firmen wurde von Peking aus gefördert, und es gibt die extrem günstigen Arbeitskräfte – mit diesem Rezept konnten die chinesischen Hersteller globale Preise deutlich unterbieten. Zu einem gewissen Grad wurde Photovoltaik in unseren Breitengraden durch die billigen Kosten in China überhaupt erst wettbewerbsfähig.

Gerade im Fall von Xinjiang geht das mit dem bitteren Beigeschmack einher, dass die Billigpreise auf massiven Menschenrechtsverletzungen beruhen. Da gibt es Werke, so der Bericht, die direkt neben Internierungslagern liegen. Arbeiter und Arbeiterinnen müssen laut dem Bericht „zweifelsfrei zustimmen, dass Xinjiang immer ein unteilbarer Teil des Mutterlands war“.

Unter diesem Eindruck machen nun immer mehr Länder Druck, dieses System nicht weiter zu fördern. Die USA haben 2021 den Uyghur Forced Labor Prevention Act verabschiedet, der es unterbindet, Produkte aus Xinjiang in die USA einzuführen. Das wirkt sich auf die eigentlich prestigeträchtigen Solarprojekte aus: Seit Inkrafttreten ist die Installation großer Projekte in den USA um 31 Prozent gesunken. Jüngst hätten sich die Zahlen aber wieder etwas erholt, so die US-Solarenergievertretung.

Zu welchem Preis darf die Wende in Richtung Solarenergie also vollzogen werden? Und wie können Umweltschutz und Menschenrechte in Einklang gebracht werden? Die USA, die seit Jahren eine China-kritische Außenpolitik verfolgen, nehmen Rückschläge im Solarenergieausbau in Kauf. In Europa ist man im Vergleich deutlich zurückhaltender. Als Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock, die für ihren Peking-kritischen Kurs bekannt ist, 2022 ein Ende der Solarimporte aus China forderte, ortete Siemens-Chef Roland Busch darin das „Ende der Energiewende“.

Bedenkliche Paneele

Doch auch in Europa kommt Bewegung in die Debatte. So hat das EU-Parlament Anfang Juni seine Position in Sachen Lieferkettengesetz festgelegt. Demnach sollen europäische Unternehmen künftig Produktionsbedingungen globaler Lieferketten ins Visier nehmen, um Verstöße gegen Menschenrechte und Umweltstandards zu verhindern. Die Kommission hat bereits im Sommer 2021 eine Richtlinie veröffentlicht, die Unternehmen helfen soll, Zwangsarbeit aus den Produktionsbedingungen ihrer Lieferketten zu verbannen.

Auch in Österreich dürfte eine große Zahl an bedenklichen Solarpaneelen verbaut sein. Auf den Homepages großer österreichischer Solarpaneelfirmen sind als Partner häufig die Unternehmen Jinko Solar, Trina Solar oder Longi genannt – ebenjene globalen Marktführer, die in Xinjiang tätig sind.

In Österreich haben sich in den vergangenen Jahren daher die drei Vereine Uigurische Gemeinde Österreich, Save Tibet und Stand with Hongkong Vienna zusammengeschlossen, um gemeinsam Druck in der Sache zu machen. Auf Anfrage bei Greenpeace kam zwar erst die Rückmeldung, dass „Menschenrechte keinesfalls verletzt werden dürfen“. In einer zweiten Mail hieß es aber, dass Menschenrechte nicht „zu unserem Kernthema“ zählten und man sich an Amnesty International wenden solle.

Die gleiche Initiative stellte diesbezüglich eine Anfrage an Umweltministerin Leonore Gewessler, zuletzt im Juni 2023 über das Portal „Frag den Staat“. In der Antwort verwies das Ministerium auf die EU-Ebene: Es benötige eine „effektive Lösung auf europäischer Ebene“, und zwar im Rahmen einer neuen „Ökodesignverordnung“, die aktuell in Planung sei. Wie diese in Bezug auf Zwangsarbeit aussieht, ist noch ungewiss, genauso wie die Frage, wann sie in Kraft tritt.

Der Standard