Energie. Die Gewalteskalation in Israel vergrößert die Sorge um die Straße von Hormus. Ein Fünftel des global nachgefragten Öls wird über sie transportiert. Warum ist sie so voller Risiken?
Es hätte die Gewalteskalation infolge des jüngsten Angriffs der radikalislamischen Hamas auf Israel gar nicht gebraucht, um den Ölmarkt in Spannung zu halten und um seine größte Lebensader besorgt zu sein. Auch davor schon war der Ölpreis während des Sommers aufgrund von Förderkürzungen der größten Ölproduzenten Saudiarabien und Russland gestiegen – nach einer Korrektur tut er es seit Montag wieder.
Und was die Lebensader für den Rohstofftransport und damit für die Weltwirtschaft, nämlich die Meeresstraße von Hormus, betrifft, so ist sie ohnehin ständig im Blick der Energiebranche, der Regierungen und auch der Militärs aus aller Welt.
Zuletzt verstärkt etwa im August, als westliche Staaten die Schifffahrtsbranche vor gesteigerten Risiken für die Schiffe warnten, die die Straße von Hormus zwischen dem Persischen Golf und dem Golf von Oman passieren. Konkret mahnte die britische Seehandelsbehörde die Schiffsbetreiber zur Vorsicht. Die Warnungen erfolgten, nachdem am 6. August ein großes Kontingent von US-Marines in der Region eingetroffen war, um eine umfassendere Stationierung von zusätzlichen Kampfjets und Kriegsschiffen dort weiter voranzutreiben.
Der neuralgische Punkt
Davor hatte es mehrere Zwischenfälle, verursacht durch den Iran, gegeben. Im April und Mai hatte er drei Öltanker in der Region beschlagnahmt, nachdem die USA vor Malaysia einen iranischen Öltanker beschlagnahmt hatten. Im Juli hat der Iran abermals versucht, zwei durch die Straße von Hormus fahrende Tanker zu kapern, nahm dann aber davon Abstand, als die USA militärisch Muskeln zeigten.
Die Straße von Hormus ist der neuralgische Punkt der internationalen Ölversorgung. Nahezu ein Fünftel davon verläuft auf diesem Weg, eingebettet zwischen der Arabischen Halbinsel und dem Iran. Nur etwa 30 Meilen (55 Kilometer) ist die Straße an ihrer engsten Stelle breit, und die Breite der Fahrrinne beträgt in jeder Richtung nur zwei Meilen, getrennt durch einen Puffer von ebenfalls zwei Meilen. Öl aus Saudiarabien, dem Irak und Kuwait wird hier verschifft. Dazu kommt, dass ein Drittel des verflüssigten Erdgases (LNG) über Hormus transportiert wird – allen voran aus Katar, dem weltweit größten LNG-Produzenten.
Racheakte einkalkulieren
Die wiederholten Drohungen durch den Iran, die Straße von Hormus zu blockieren, haben dazu geführt, dass die US-Militärpräsenz hier ständig ausgeweitet wurde. Am stärksten gedroht hatte der Iran zuletzt im Jahr 2011, als Sanktionen gegen ihn verhängt worden waren. Umgesetzt hat der islamistische Staat die Drohungen allerdings auch damals nicht.
Mit der aktuellen Gewalteskalation in Israel rückt die Hormus-Straße aber einmal mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit. Zwar denken Experten nicht, dass es schnell zu einer Gefährdung der Schifffahrt kommt. Aber die Möglichkeit, dass Israel den Iran als Unterstützer der Hamas angreift, zwingt doch dazu, Racheakte des Mullah-Regimes einzukalkulieren. Dies auch dann, wenn die USA ihre zuletzt kulantere Haltung gegenüber dem iranischen Ölexport wieder aufgeben sollten.
Sollte die Straße von Hormus blockiert werden, sind die Möglichkeiten, das Öl auf alternativen Routen auf den Weltmarkt zu bringen, allemal beschränkt. Immerhin gibt es zwei Pipelines in der Gegend.
Die eine, genannt Ost-West-Pipeline (Abqaiq-Yanbu) vom saudischen Erdölfeld Abqaiq im Osten des Landes durch die Arabische Halbinsel zum Roten Meer, ist 1200 Kilometer lang und wurde 2012 eröffnet. Im Mai 2019 wurden Pumpstationen der Pipeline und auch der Rotmeer-Hafen von den jemenitischen Houthi-Rebellen angegriffen.
Die andere Pipeline, Abu Dhabi Crude Oil Pipeline (auch Habshan–Fujairah genannt), führt aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zum Golf von Oman. Ihre Kapazität beläuft sich auf 1,5 Millionen Barrel pro Tag.
Kein Vergleich bei Kapazitäten
Gemeinsam mit der saudischen Ost-West-Pipeline beträgt die Pipelinekapazität 6,5 Millionen Barrel pro Tag.
Zum Vergleich: Über die Meerenge von Hormus werden täglich knapp 17 Millionen Barrel auf Tankern transportiert. In früheren Jahren waren es durchaus auch 20 Millionen Barrel – genau ein Fünftel des globalen Tagesverbrauchs.
von Eduard Steiner
Die Presse