„Ohne Wasserstoff sind wir nicht zukunftsfähig“

3. November 2023

Rund 40 Unternehmen und Institutionen in Oberösterreich beschäftigen sich derzeit mit dem Einsatz von Wasserstoff. Verwendet werden soll das farb- und geruchlose Gas vor allem als grüner (mit erneuerbaren Energien erzeugter) Wasserstoff in der Industrie, zur Dekarbonisierung in der Fernwärme- und Stromversorgung, als saisonaler Energiespeicher und als Treibstoff für den Schwerverkehr.

„Wenn wir die Energiewende nicht schaffen, hat der Standort Oberösterreich keine Zukunft. Und Wasserstoff ist ein wesentlicher Bestandteil“, sagt der Linzer Bürgermeister Klaus Luger. In Oberösterreich entfallen 40 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs auf den produzierenden Bereich, also die Industrie. Und in Linz kommen derzeit rund 100.000 Tonnen grauer Wasserstoff in der Chemieindustrie zum Einsatz, das sind rund drei Viertel des gesamten österreichischen Bedarfs.

Wasserstoff zur chemischen Erzeugung

Ein spannendes Projekt läuft derzeit bei Borealis in Linz. Der Energiekonzern Verbund plant eine 60-MW-Elektrolyseanlage, mit der grüner Wasserstoff aus Grünstrom und deionisiertem Wasser hergestellt wird. Dieser wird beim Chemiekonzern eingesetzt, um Düngemittel, Melamin und technischen Stickstoff nachhaltig zu erzeugen. Auch der Sauerstoff, der beim Elektrolyse-Prozess durch die Aufspaltung von Wasser entsteht, wird direkt in der Produktion eingesetzt. Der Elektrolyseur wird auch Netzdienstleistungen für das Übertragungsnetz bereitstellen. Im Jahr 2026 soll die Anlage in Betrieb gehen und jährlich bis zu 90.000 Tonnen Kohlendioxid einsparen.

Die Anlage ist laut Verbund auch erheblich größer als jenes Projekt, das der Energiekonzern gemeinsam mit der voestalpine und Siemens angegangen ist: H2Future. Startschuss für das 18-Millionen-Euro-Projekt war im Februar 2017, im November 2019 wurde die Anlage auf dem Gelände des Stahl- und Technologiekonzerns in Betrieb genommen. Kernstück der Pilotanlage: ein Elektrolysemodul mit sechs Megawatt Anschlussleistung. Wasser wird mit elektrischer Energie in Wasserstoff umgewandelt. Der gewonnene Wasserstoff kommt in der Stahlherstellung zum Einsatz. Pro Stunde können 1200 Kubikmeter Wasserstoff erzeugt werden, heißt es.

Auch am Standort in Donawitz läuft ein Wasserstoffprojekt, bei dem sich die voestalpine mit dem Anlagenbauer Primetals und der Montanuniversität Leoben zusammengetan hat. Ziel ist die Reduktion von Eisenerzen mittels Wasserstoff. Der dabei entstehende heiße Eisenschwamm könnte in einer Großanlage einem Elektrolichtbogenofen zugeführt oder zur Herstellung von heiß brikettiertem Eisenschwamm verwendet werden.

Dass die Wasserstoff-Pläne grundsätzlich ambitioniert sind, bestätigt Linz-AG-Energievorstand Josef Siligan. Die zentrale Frage werde sein, wie es gelingen könne, überschüssigen Strom aus dem Sommer (durch Photovoltaik und Windkraft) in den Wintermonaten zu speichern und damit ganzjährig zu nutzen. Wasserstoff sei zum einen als Trägermedium, aber auch als Speichermedium geeignet. „Nötig ist aber die Sektorkopplung, also Elektrizität, Wärmeversorgung, Verkehr und Industrie gesamthaft zu betrachten und den Energietransfer zwischen diesen Sektoren zu verbessern“, sagt Siligan.

Viele Projekte

Es wird in vielen Betrieben in Oberösterreich zum Thema Wasserstoff geforscht, er gilt als einer der zentralen Energieträger der Zukunft. Bosch, Linz AG, Siemens, Primetals oder das im Aufbau befindliche Wasserstoff-Forschungszentrum am FH-Campus Wels sind einige Innovationsstätten, die sich mit dem Thema befassen. Besonders viel Expertise hat die RAG aufgebaut, Österreichs größtes Gasspeicherunternehmen. Denn Wasserstoff ist wie Erdgas gut speicherbar und kann umweltfreundlich als Kraftstoff genutzt werden.

Verschiedene Weg führen zum Ziel

Zuletzt hat das Unternehmen in Kremsmünster eine Methan-Elektrolyse in Betrieb genommen, die eine Nutzung von Erdgas ohne CO2-Emissionen ermöglicht. In einem Plasmagenerator wird Erdgas (CH4) bei 1400 Grad aufgespaltet, der Wasserstoff wird in ein Kraftwerk eingespeist, mit dem Strom für die RAG erzeugt wird. Die Abwärme geht ins benachbarte Fernwärmenetz von Kremsmünster. Der reine Kohlenstoff wird verfestigt und dient als wertvoller Rohstoff zunächst einmal für die Landwirtschaft. Er kann auch für andere Produkte wie Carbonteile beim Auto, Carbontextilien oder Computerchips verwendet werden. Im Vergleich zur Zerlegung von Wasser sei bei diesem Prozess nur ein Viertel des Energieaufwands notwendig, dafür sei Wasser billiger als Gas, sagte RAG-Chef Markus Mitteregger. Nun gehe es darum, die Produktion zu skalieren und zu optimieren.

In Gampern (OÖ) wurde im April 2023 eine Pilotanlage (Underground Sun Storage) mit Elektrolyseur und H2-Speicher in Betrieb genommen. Das heißt, hier wird mit Sonnenenergie Wasser zerlegt, grüner Wasserstoff gewonnen und dieser anschließend in unterirdischen geologischen Speichern verwahrt. Die Größenordnung des Speichers entspricht dem Sommerüberschuss von etwa 1000 Photovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern. Im Sommer wird diese überschüssige Energie eingespeichert und im Winter wieder in Form von Strom und Wärme bereitgestellt.

Oberösterreichische Nachrichten

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