UN-Report. Schonungslos zeigt ein UN-Bericht in der globalen Klimapolitik die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf: Wir steuern nicht auf eine Erwärmung von 1,5 Grad Celsius zu, sondern gar auf plus drei Grad Celsius.
Zehn Tage vor dem Start der Klimakonferenz (COP 28) in Dubai legt das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep) einen Bericht vor, der schonungslos die Realität aufzeigt: Wird die derzeitige Politik fortgeführt, ist für das Jahr 2100 zu erwarten, dass die durchschnittliche Temperatur global um drei Grad Celsius höher als vor dem Start der Industrialisierung, also 1850, ist.
Damit wäre das globale Temperaturmittel genau doppelt so hoch wie bei der Klimakonferenz in Paris 2015 ausgehandelt. Damals wurde vereinbart, dass die Emissionen von Treibhausgasen in dem Ausmaße zu verringern sind, dass die globale Mitteltemperatur zum Ende des Jahrhunderts bei 1,5 Grad liegen solle, jedenfalls deutlich unter zwei Grad.
„Schluss mit Green-Washing“
UN-Generalsekretär António Guterres: Zwischen den Zielen und der Realität bestehe nicht ein Spalt, „sondern ein Canyon“. Es gebe eine Menge „ungenutzter Chancen“. In der Klimapolitik sei eine Transformation notwendig: „Wir müssen die Abhängigkeit von fossilen Energien beenden. 1,5 Grad ist noch immer möglich, aber wir müssen rasch handeln. Wir brauchen klare Signale an die Wirtschaft und an den Finanzsektor. Schluss mit dem Green-Washing.“
Es sei außerdem unerlässlich, dass die Industriestaaten nach vielen Versprechungen, die nicht eingehalten worden seien, das Vertrauen wiederherstellen. Es sei zusätzlich Geld für die Länder des Globalen Südens erforderlich. „Wir brauchen einen Loss-and-damage-Fonds.“
Inger Andersen, Generalsekretärin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep), betonte, dass es unmöglich sei, wenn Staaten einerseits Klimaziele beschließen und andererseits Projekte für die Förderung fossiler Energien vorantreiben. „Würde all das umgesetzt werden, was möglich ist, würden damit sämtliche Klimaziele ausgehebelt.“
Andersen hat auch die dritte Verhandlungsrunde über die Kunststoffkonvention kommentiert, die am Sonntag zu Ende gegangen ist. In dem bisherigen Entwurf gebe es die Option, dass die Produktionsmenge limitiert wird, es gehe aber auch um den „unnötigen Kunststoff“, so Andersen. Sie gab sich optimistisch, dass das verbindliche Abkommen wie geplant bis Ende 2024 stehe.
„,Netto-Null‘ nicht glaubhaft“
Weniger optimistisch erscheinen die Zahlen, die der „Emission Gap Report“ in dem Szenario zusammengetragen hat, bei dem lediglich Maßnahmen umgesetzt werden, deren Realisierung die Staaten in ihren Klima-Vorhabensberichten (NDCs – National Determined Contributions) an keine Bedingungen geknüpft haben: Dann sei bis zum Jahr 2100 mit einem Anstieg von 2,9 Grad Celsius zu rechnen.
Werden auch die an Bedingungen geknüpften Maßnahmen durchgeführt, dann ist mit einer wärmeren Durchschnittstemperatur von 2,5 Grad zu rechnen. 2,0 Grad wären realistisch, wenn nicht nur die NDCs in die Realität umgesetzt werden, sondern darüber hinaus auch Ankündigungen Taten folgen lassen, die ein „Netto-Null“ an Emissionen bewirken. Illusionslos fügt der Bericht hinzu: „,Netto-Null‘-Versprechen sind derzeit nicht glaubhaft, weil keines der G20-Länder die Emissionen von Treibhausgasen entsprechend reduziert.“ Um den Temperaturanstieg mit 1,5 Grad zu beschränken, müsste der Ausstoß bis 2050 noch einmal um 19 Milliarden Tonnen Treibhausgase reduziert werden. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen kommen die Autoren des Berichts, der am Montag präsentiert worden ist, zu dem Schluss: „Auch im optimistischsten Szenario liegt die Wahrscheinlichkeit, die Erwärmung der Atmosphäre gegenüber 1850 mit 1,5 Grad zu beschränken, bei lediglich 14 Prozent.“
Erstmals 100 Milliarden
Die Schlussfolgerung im Bericht ist unmissverständlich: „Staaten mit einer größeren wirtschaftlichen Kapazität und die mehr Emissionen zu verantworten haben, müssen ambitioniertere und schnellere Taten setzen.“ Dazu gehöre auch, dass Entwicklungsländern finanzielle und technische Entwicklung gegeben werde. „Dies betrifft insbesondere G20-Staaten, in denen es hohe Einkommen gibt und die hohe Treibhausgasemissionen haben.“ Sie verursachen 76 Prozent aller Treibhausgase.
Da ist es nur ein kleiner Trost, dass die OECD vor wenigen Tagen vermeldet hat, dass der Fonds, der 2015 geschaffen wurde, um Ländern des Globalen Südens Geld für den Umstieg auf erneuerbare Energie zur Verfügung zu stellen, nun erstmals die 100-Mrd.-Dollar-Grenze überschritten hat. In Paris wurde vereinbart, diesen Geldtopf jährlich mit 100 Mrd. zu befüllen.
Die Presse