Wie kann man die Energie de Sommersonne festhalten, um sie im Winter zu nutzen? Eine Antwort darauf wird nun in Oberösterreich getestet: In einem weltweit einzigartigen Pilotprojekt wird Wasserstoff in einem früheren Erdgaslager unterirdisch gespeichert.
Als die Schildbürger versuchten, zur Beleuchtung ihresfensterlosen Rathauses Sonnenlicht in Säcken einzufangen, wurden sie bloß herzhaft ausgelacht. Bei diesem Pilotprojekt der RAG Austria spottet hingegen niemand – ganz im Gegenteil: Dem laut eigenen Aussagen größten Energiespeicherdienstleister Österreichs ist es mit seinem „Underground Sun Storage“ tatsächlich gelungen, die im Sommer anfallende Sonnenenergie für den Winter aufzuheben.
Natürliche Tiefenspeicher
Konkret wird beim Pilotprojekt in Gampern (Bezirk Vöcklabruck) Solar-und Windkraftenergie mittels Elektrolyse in reinen, grünen Wasserstoff (gH2) umgewandelt und in einer unteririschen Erdgaslagerstätte langfristig gespeichert. Die hier eingespeiste Energie entspricht dem sommerlichen Überschuss von etwa 1.000 Photovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern. Der Testbetrieb läuft bis 2025 und wird von verschiedenen Unis, Forschungsinstituten und Energieversorgern wie der niederösterreichischen EVN begleitet. Insgesamt verfügt die RAG in Oberösterreich und Salzburg über elf solche natürliche Porenspeicher: Sie sind vor Millionen von Jahren in über 1.000 Metern Tiefe entstanden und bestehen aus porösem Sandstein und einer undurchlässigen Außenschicht aus Ton. Die Poren im Sandstein nehmen den Wasserstoff auf.
In größerem Stil angewandt, könnte diese Technologie zu einem wichtigen Baustein für die Energiewende werden. „Fürs Speichern vom Tag in die Nacht oderfür einige Tage sind Batterien bzw. Pumpspeicher geeignet, aber für die saisonale Speicherung führt kein Weg an erneuerbaren gasförmigen Energieträgern wie Wasserstoff vorbei“, ist RAG-Energieexperte Benedikt Hasibar überzeugt.
„Interessante Option“
„Wenn das in Gampern gut funktioniert, ist das eine sehr interessante Option“, sagt auch Andreas Indinger, Leiter der Wasserstoff-Taskforce der Austrian EnergyAgency (AEA):“In zwei, drei Jahren werden wir wissen, ob der Wasserstoff wieder in reiner Form rauskommt oder ob er etwa zur industriellen Nutzung erst aufwendig gereinigt werden muss.“ Indinger glaubt, dass solche Speicher künftig „vor allem Sicherheit für die Industrie und das heimische Stromsystem sowie eine gewisse Preisstabilität“ bringen könnten.
Das Speichern der Sonnenenergie für den Winter über den „Umweg“ Wasserstoff geht freilich nicht ohne Energieverlust: Gängige Elektrolysemethoden haben derzeit einen Wirkungsgrad von etwa 70 Prozent. Mit anderen Worten: Nur rund 70 Prozent der Energie, die für die Elektrolyse aufgewendet wird, werden im Wasserstoff gebunden. Auch bei der Rückwandlung in Strom geht Energie verloren, Weil sich der in Gampern gelagerte Wasserstoff mit Feuchtigkeit anreichert, muss er nach der Entnahme im Winter erst in die Trocknungsanlage, bevor er über eine Leitung zum Erdgasspeicher Puchkirchen (Bezirk Vöcklabruck) transportiert und dort in das öffentliche Gasnetz eingespeist wird. Als weitere Verwendungsmöglichkeiten würden im Rahmen von Underground Sun Storage aber auch die Aufbereitung für das Betanken von Brennstoffzellenfahrzeugen und für die direkte industrielle Nutzung getestet, erklärt Gerald Kinger, Projektleiter der EVN.
Vielseitig einsetzbar
Theoretisch lässt sich grüner Wasserstoff nämlich in allen Sektoren gebrauchen – ob für die Industrie, in der Wärme-und Stromerzeugung oder in der E-Mobilität. Wo er künftig in welcher Form eingesetzt wird, steht noch in den Sternen. Hier muss sich erst ein Markt bilden -samt Infrastruktur für Produktion, Transport, den Produkten, Abnehmern und der dazugehörigen Preisbildung. Wichtig seien dabei nicht zuletzt die CO2-Bepreisung, um fossile Energien zu verteuern, und der politische Wille, die CO3-Reduktion voranzutreiben, sagt Hasibar. Expertinnen und Experten wie Prof. Claudia Kemfert vom Deutschen Insti tut für Wirtschaftsforschung plädieren dafür, den „Champagner unter den Energieträgern“ (0-Ton Kemfert) zielgenau dort einzusetzen, wo es keine effizientere und preiswertere Alternative gibt. Laut der Wirtschaftswissenschafterin ist das insbesondere in der Stahl-und Chemieindustrie sowie im Schwerlast-, Schiffs-und Flugverkehr der Fall.
Im Auto-Bereich wird Wasserstoff hingegen auch künftig eine untergeordnete Rolle spielen, glaubt AEA-Experte Indinger: „Sieht man sich die Angebote der Hersteller und die Verkaufszahlen an, haben vermutlich die batteriebetriebenen Pkws gegenüber wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellentechnologien das Rennen gemacht.“ Im Schwerverkehr hätten H2-Lkws für Spediteure den Vorteil, dass sie genauso rasch betankt werden könnten wie Diesel-Fahrzeuge: „Hier müssten aber mehrere Akteure -die Hersteller, die öffentliche Hand, die großen Flottenbetreiber -vertrauensbildend zusammenwirken, und das sehe ich derzeit nicht“, so Indinger. O
Der Standard