Seit 2021 können Bürgerinnen und Bürger Energiegemeinschaften gründen. Der Krieg in der Ukraine hat einen Boom ausgelöst.
Anton Schuller kann zufrieden sein. Die erste Gesamtjahresabrechnung für seine Energiegemeinschaft ist da und weist Erfreuliches aus: 53 Prozent Eigenabdeckungsquote, das ist mehr als erwartet. Mehr als die Hälfte jenes Stroms, den die eigenen Photovoltaikanlagen das Jahr über erzeugt haben, wurde unmittelbar verbraucht und musste nicht ins allgemeine Stromnetz verkauft werden. Für Anlagen mit einer Gesamtleistung von immerhin 70 Kilowatt ist das ein sehr guter Wert.
Der Hartberger gehörte mit seinen Kollegen zu den ersten, die eine Energiegemeinschaft gründeten, nachdem der Bund im Sommer 2021 diese Möglichkeit geschaffen hatte. Die Idee dahinter: Bürger schließen sich zusammen, um gemeinsam Energie zu gewinnen und zu nutzen. Auf diese Weise soll einerseits der Ausbau der erneuerbaren Energieträger angeschoben und andererseits der direkte lokale Verbrauch gefördert werden. Die Stromnetze werden dadurch weniger stark belastet, die Beteiligten bekommen im Gegenzug günstigere Netztarife und sind von der Elektrizitäts- und EAG-Abgabe befreit.
Während die Neuerung anfangs eher zögerlich angenommen wurde – Ende 2021 gab es erst gezählte fünf Energiegemeinschaften –, sollte sich das im Jahr darauf ändern. „Der Ukraine-Krieg und die Energiepreiskrise haben ein starkes Bewusstsein für regionale Stromerzeugung gebracht“, sagt Eva Dvorak, Leiterin der Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften. Nach den offiziellen Zahlen der E-Control existierten mit Stichtag 30. Juni 2023 bereits 675 Energiegemeinschaften. Inzwischen ist man laut Koordinationsstelle bereits bei mehr als 1000 angekommen.
Die meisten der Gemeinschaften sind kleinräumig als Vereine organisiert. So hat man es auch im oststeirischen Hartberg gelöst. Die Photovoltaikanlagen gehören Schuller und zwei anderen Betreibern, der überschüssige Strom wird direkt an eine Bäckerei, einen Biomarkt und einen weiteren Haushalt verkauft. Die Preise werden vorab vertraglich festgelegt. Abgerechnet wird über die Stadtwerke Hartberg im Viertelstundentakt. Es sind derartige Modelle, denen Sonja Wogrin für die Zukunft noch beträchtliches Potenzial zuschreibt. Die Leiterin des Instituts für Elektrizitätswirtschaft und Energieinnovation an der Technischen Universität Graz erwartet durch die Elektrifizierung vieler Sektoren in den kommenden Jahrzehnten einen starken Anstieg des Stromverbrauchs in Österreich. „Da kommt auch dezentraler Erzeugung und Verbrauch eine wichtige Rolle zu. Wer den Strom selbst produziert und vielleicht sogar speichert, ist zumindest für diesen Teil auch unabhängig von den allgemeinen Strompreisentwicklungen“, sagt Wogrin. Eine völlige Abkoppelung vom Elektrizitätssystem sei allerdings weder technisch noch wirtschaftlich sinnvoll.
Als Hemmschuh für neue Energiegemeinschaften sieht die Expertin, dass Komplexität und Aufwand beträchtlich sind. Unter energiegemeinschaften. gv.at gibt es einen Leitfaden.
von Günter Pilch
Kleine Zeitung