Photovoltaik-debatte
Erhard Neubauer ist Bezirksrichter, Winzer und Landwirt. Derzeit beschäftigt ihn ein Thema abseits der Justiz: PV-Anlagen auf Freiflächen. Er ist Befürworter und erklärt im NÖN-Gespräch, warum solche Anlagen für Österreich dringend notwendig seien.
Retz„Wir müssen uns anschauen, wo es technisch möglich ist und wo es Sinn macht“, sagte der Retzer Bürgermeister Stefan Lang im NÖN-Gespräch über einen Ausbau von Photovoltaikanlagen. Das kostet Erhard Neubauer, der im Retzer Land lebt, ein müdes Lächeln. Für ihn ist nämlich klar, wo PV-Anlagen zusätzlich hinkommen müssen: auf Freiflächen. „Aber das genehmigt dir keine Gemeinde im Bezirk“, weiß der Landwirt aus eigener Erfahrung.
Er wollte auf einem Hektar Ackerland Photovoltaikanlagen errichten. „Das wurde vom Retzer Stadtrat, dem die ÖVP, die SPÖ und die Grünen angehören, einstimmig abgelehnt“, ärgert sich Neubauer.
Warum sind PV-Anlagen auf Freiflächen seiner Meinung nach wichtig? „Wir müssen – zumindest am Tag – unabhängiger werden.“ Von seinem Weingarten aus hat er an klaren Tagen einen direkten Blick auf das 30 Kilometer entfernte Atomkraftwerk Dukovany. „Wollen wir weiterhin Atomstrom? Oder akzeptieren wir ein paar ausgesuchte Felder mit Freiflächenanlagen?“, fragt er. Denn es sei keineswegs so, dass „ganz Österreich mit Paneelen zugepflastert werden“ müsse.
Fakt sei, dass PV-Anlagen allein auf Dächern und über Parkplätzen nicht ausreichen, um das Ziel zu erreichen, dass bis 2030 100 Prozent der Stromerzeugung in Österreich aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Dazu brauche es eine PV-Leistung von 21 GWp, wie vom Bundesverband Photovoltaic Austria bestätigt wird. NÖ braucht 3.000 Hektar PV-Freiflächen„Alle Studien kommen zu dem Ergebnis, dass rund die Hälfte der PV-Leistungen abseits von Infrastruktur auf der Freifläche umzusetzen ist“, liefert der Bundesverband entsprechende Zahlen. Um die Photovoltaik-Leistung bis 2023 zu erreichen, bedeute das, dass 2,8 GWp in der Freifläche errichtet werden müssen. Das entspricht einem Flächenbedarf von 3.000 Hektar. „Das sind 0,2 Prozent der Fläche von Niederösterreich“, weiß Neubauer.
Er nennt im NÖN-Gespräch außerdem ein Beispiel, warum es nicht möglich sein wird, dass alle Hallendächer mit PV-Anlagen ausgestattet werden: Er habe einen Bekannten, der eine Halle mit 2.000 Quadratmetern Dachfläche südseitig besitzt, die gleich neben einem Transformator steht. Der Bekannte selbst könne sich eine PV-Anlage nicht leisten. „Darum hab‘ ich angeboten, dort eine Anlage zu errichten.“ Dem Bekannten hätte Neubauer gratis Strom – was zu einer Ersparnis von 5.000 Euro im Jahr geführt hätte – angeboten. Aber: „Er hat gesagt, dass er’s nicht aushält, wenn ein anderer auf seinem Dach etwas hat.“
Ein anderes Beispiel: In Retz gibt es etwa vier Hektar einer früheren Deponie, die derzeit ungenutzt sind. Hier versuchte Neubauer ebenfalls sein Glück: „Abgelehnt!“ Deponie-Projekt fehlt der Netzzugang Die NÖN fragte beim Retzer Grünen-Stadtrat Martin Pichelhofer nach. „Dort entsteht ein Projekt, das hängt seit einem Jahr in der Luft, weil es am Netzzugang scheitert“, erklärt er, dass am alten Deponie-Areal das Projekt einer anderen Firma umgesetzt werden soll.
Warum das andere Projekt von Neubauer abgelehnt wurde? „Wir haben gesagt, wir wollen keinen Fleckerlteppich“, erklärt der Öko-Politiker. PV-Anlagen auf Freiflächen sollen sich auf bestimmte Areale konzentrieren. Die Stadtgemeinde habe etwa im Gewerbegebiet in der Nähe der Biogasanlage an PV-Freiflächen gedacht. „Dort macht es Sinn“, meint der Stadtrat. Aber „die Zonierung lässt das nicht zu“. Die Kapazitäten der Umspannwerke seien erschöpft.
Was dem Bezirksrichter übrigens gar nicht eingeht, ist die Volksbefragung, die am 25. Februar in Hollabrunn zum Thema PV-Anlagen auf Freiflächen stattfinden wird. Er wolle sich in die Gemeindepolitik nicht einmischen, verstehe aber nicht, warum die Bürger befragt werden. Die Befragung werde sicher negativ ausgehen. „Und das in der Gemeinde, die noch am wenigsten Photovoltaikanlagen im Bezirk hat“, sagt Neubauer.
Tatsächlich: In Hollabrunn kommen laut Statistischem Zentralamt auf 1.000 Einwohner 19,7 PV-Anlagen (Stand: 1.8.2022). Dahinter liegen nur noch Alberndorf (16,5 PV-Anlagen) und Haugsdorf (15,6 Anlagen). Spitzenreiter ist Nappersdorf-Kammersdorf mit beinahe 60 Anlagen.
Für Neubauer ist klar, dass Agri-Photovoltaik mit Doppelnutzung der Flächen – 25 Prozent Photovoltaik, 75 Prozent für die Landwirtschaft – sinnvoll ist. „Sonst schieben wir weiter Milliarden zu Putin, der damit Krieg führt.“ Es brauche eine vernünftige Lösung, meint Neubauer, der wüsste, wie er mit den Gegnern umgehen würde: „Ich wär da radikal und würde ihnen den Strom abdrehen.“
von Sandra Frank
NÖN