Stromerzeugen statt nur Skigebiete beschneien

23. Jänner 2024, Salzburg

Taugen Speicherteiche zur Stromerzeugung? Ergibt Sinn, sagen viele. Doch die Umsetzung ist schwierig. Wie Skigebiete aus Wasser Strom machen (wollen).

32 Pistenkilometer, drei Lifte, ein Kinderland und der Tagesskipass um 53 Euro: Die Riesneralm im steirischen Donnersbachtal zählt nicht zu den Großen im Skizirkus. Doch den Mitbewerbern ist man um Längen voraus, wenn es um selbst gemachten Strom geht. „Wir sind energieautark“, erklärt Geschäftsführer Erwin Petz, und das ist nicht einfach so dahergesagt.

Das örtliche Wasserkraftwerk am Donnersbach, das vor 15 Jahren unter dem damaligen Bürgermeister Petz gebaut wurde, gehört heute der Liftgesellschaft (mit der Gemeinde als Mehrheitseigentümer). Diese errichtete 2020 in der einige Kilometer entfernten Talstation ein „Beschneiungs-E-Werk“, wie Petz es nennt. Die beiden Anlagen wurden für einen kräftigen Wasserdurchfluss mit einem einen Meter dicken Rohr verbunden. Ein Höhenunterschied von 90 Metern reicht, und pro Jahr produziert das kleine Skigebiet nun 6,2 Millionen Kilowattstunden Strom. Dazu wird das Wasser auch direkt in die Beschneiungsanlage eingespeist. „Damit habe ich mir einen Speicherteich am Berg erspart“, sagt Petz.

Die Rechnung wird noch besser: Weil Lifte, Beschneiung, Hotellerie und Gastronomie im Skigebiet nur rund 2,2 Mill. Kilowattstunden pro Jahr verbrauchen, produziert das Seilbahnenkraftwerk einen Überschuss von vier Millionen Kilowattstunden, der als Ökostrom ins Netz eingespeist wird. Damit ist nicht nur die eigene Stromrechnung „bis Dezember auf null Euro“ geschrumpft, wie Petz stolz erklärt, „wir gewinnen auch noch“. Zweifler, die anfangs die Investitionskosten von fünf Mill. Euro kritisierten, höben nun begeistert die Hände.

Energieautark und ökologischer werden: Das steht in den Skigebieten ganz oben auf der Agenda – um Energiekosten zu sparen, aber auch umweltfreundlich vorbildhaft dastehen zu können. Zwar wird von den Fachverbänden für Tourismus und Seilbahnen in der Wirtschaftskammer festgehalten, dass für die Beschneiung aller Skigebiete nur ein Anteil von 0,33 Prozent des österreichischen Gesamtstromverbrauchs benötigt wird – und der gesamte Wintertourismus für einen Verbrauch von knapp einem Prozent verantwortlich ist.

Auf ein 35 Hektar großes Skigebiet heruntergebrochen kommt dann aber doch der Jahresstromverbrauch von 118 Haushalten oder zirka 525.000 Kilowattstunden heraus – allein für die Beschneiung, da fährt noch kein Lift.
Paul Ablinger vom Verein Kleinwasserkraft Österreich sieht in den Skigebieten gerade in den Speicherteichen ein wertvolles Reservoir, um nachhaltig Strom zu erzeugen. „Nicht nur der Wintersport, sondern auch andere Bereiche könnten so ökologischer werden“, betont er. Pumpspeicherkraftwerke in den Skigebieten könnten positiv auf den Strompreis und auf das Netzgefüge wirken, Schwankungen könnten so relativ rasch ausgeglichen werden. Die Infrastruktur wie Trafos und Stromleitungen seien vorhanden, vergrößert werden müssten freilich die Rohre, die aktuell nur der Beschneiung dienten.

Rund 450 Speicherteiche gibt es derzeit in Österreichs Skigebieten. „Hier in der betriebswirtschaftlichen Effizienz zu optimieren und eine Mehrfachnutzung anzudenken macht Sinn“, erklärt Erik Wolf, Geschäftsführer im Seilbahnen-Fachverband. „Wir wollen ganz klar strombilanziell autonom werden und so viel Strom, wie wir im Jahr brauchen, auch selbst erzeugen.“ Aufwecken müsse man die Branche nicht, seit Anfang 2023 verfolgten die Seilbahnen eine entsprechende Strategie.

Aktuell wird viel getestet und geprüft, wirklich umgesetzt erst wenig. „Schnell gedacht, super Lösung, aber der Teufel steckt im Detail“, sagt etwa Wolfgang Hettegger, Geschäftsführer im Snow Space Salzburg (Flachau, Wagrain, St. Johann) über die Speicherteich-Pumpkraftwerksidee. Mit zehn Teichen im Skigebiet sei das Potenzial da, doch leider gebe es viele Hürden, sagt der Seilbahner. So brauche es etwa dieselbe Wasserkubatur im Tal wie auf dem Berg. Einen zweiten Teich im Baulandbereich eines Tourismusortes anzulegen sei jedoch mehr als schwierig, abgesehen davon teuer. Alternativ dazu im Tal Grundwasser zu entnehmen sei wasserbehördlich kaum umsetzbar, generell fehle für so eine Lösung die Erfahrung. Außerdem: Für einen ordentlichen Wasserfluss müssten neue Rohre mit größerem Durchmesser am Berg verlegt werden.

Zu guter Letzt müssten Speicherteiche aus Landschaftsschutzgründen auch im Sommer gefüllt sein, bei technischer Ertüchtigung würde sich der Wasserspiegel aber ständig verändern, wirft Hettegger ein. „Wir prüfen diese Themen bei all unseren Projekten.“ Selbst schwimmende PV-Paneele werden seit 2021 auf einem aufgelassenen Speicherteich für Stromerzeugung getestet.

Georg Bliem, Chef der Planai-Hochwurzen-Bahnen, sieht ein Projekt zwischen zwei Speicherteichen auf der Planai als realisierbar. „Wir haben oben einen Teich und 200 Meter tiefer wieder einen, damit sich ein Pumpkraftwerk rechnet, müssen wir den oberen Teich aber zuerst einmal vergrößern“, erklärt Bliem. „Wenn du eine gewisse Wasserkraft nicht rausbringst, hast du keinen Vorteil.“ Möglichkeiten gebe es viele, „man muss das von Berg zu Berg beurteilen“, so Bliem. So habe man zuletzt beim Bau eines neuen Speicherteichs auf der Hochwurzen einen größeren Rohrdurchmesser bereits berücksichtigt.

Karl Heinz Gruber, Geschäftsführer der Verbund Hydro Power und Spartensprecher für die Erzeugung, hält die Idee, vorhandene Speicherteiche zum Ausgleichen von Stromschwankungen zu nutzen, für „g’scheit“. Grundsätzlich werde in Zukunft aber „jede Kilowattstunde“ gebraucht.

von Birgitta Schörghofer und Monika Graf

Salzburger Nachrichten

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