Stromverbrauch steigt auf 120.000 MWh

31. Jänner 2024, Hollabrunn

Infos vor Volksbefragung

Sechs Photovoltaik-Projekte auf Ackerland stehen bei der Volksbefragung am 25. Februar in Hollabrunn zur Debatte. Damit die Gemeindebürger wissen, worüber sie hier genau zu befinden haben, ging im Stadtsaal eine erste Infoveranstaltung über die Bühne.

Patschka, Zahlbruckner und WEB auf Aspersdorfer Gebiet; Wimmer und Seifried auf Dietersdorfer Gebiet; Scheuer und Semmelmeyer/Maurer auf Hollabrunner Gebiet: Das sind die Projektwerber für PV-Freiflächenanlagen, die sich Freitagabend den Fragen interessierter Bürger stellten. Davor bot die Stadtgemeinde mit ihrer neuen Energiegenossenschaft noch umfassende Informationen zur Energie-Gegenwart und -Zukunft.

Bürgermeister Alfred Babinsky betonte einleitend, dass ihm drei Dinge wichtig seien: Es solle kein Zwang bestehen; es sollen alle Energie-Potenziale genutzt werden; und es soll mit vereinten Kräften an der Energie-Unabhängigkeit gearbeitet werden.

Umweltstadtrat Josef Keck, Obmann-Stellvertreter in der neu gegründeten Energiegenossenschaft, gab einen Überblick über das Engagement im Energie-Bereich der vergangenen 30 Jahre: von der ersten Förderung von PV und Solar im Jahr 1992 über die Windräder am Langen Berg (2003) und in Aspersdorf (2005) sowie die Gründung der Klima- und Energiemodellregion (2011) bis zu den jüngsten Photovoltaik-Initiativen mit der 700-kWp-Anlage am neuen Schulcampus als Höhepunkt und Grundstein für die Energiegenossenschaft, in die auch die Freiflächenanlagen einspeisen sollen.

Stromverbrauch wird enorm in die Höhe schnellen. „Machen wir unsere Kinder zu Erben und nicht zu Hinterbliebenen“, zitiert Keck den Bürgermeister von Großschönau, Martin Bruckner, einen Vorreiter in Sachen erneuerbarer Energie.
Die Dimension des Stromverbrauchs werde immer noch von vielen unterschätzt, sagte Baudirektor Stephan Smutny-Katschnig. In der Gemeinde sind es derzeit 85.000 MWh pro Jahr. Ein Wert, der sich Prognosen zufolge bis 2030 auf 120.000 MWh erhöhen wird. Als Potenzial für Wind- und PV-Energie, die in der Gemeinde produziert werden könnten, werden jeweils 50.000 MWh angesehen.

9.000 MWh werden derzeit mit sämtlichen PV-Anlagen im Gemeindegebiet erzeugt – den Campus schon eingerechnet. Da bleibt also noch eine große Lücke bis zur Unabhängigkeit, die ohne PV-Freiflächenanlagen nicht zu schließen sein wird. Der Baudirektor präsentierte auch Karten zur Sonnenenergiedichte und Windstatistik, die zeigten, dass hier der Nordosten Österreichs das absolut größte Potenzial hat.

Obstbau-Ertrag soll mit Photovoltaik wachsen. Mehrfachnutzung, Rückbaubarkeit, geringe Versiegelung und 30-Prozent-Einspeisung sind die Bedingungen für die angestrebten Projekte. Das wohl innovativste der sechs präsentierten Sigrid und Carina Scheuer vom gleichnamigen Winzerhof in Oberfellabrunn. Dort wird auch Obstbau betrieben – und der soll mithilfe von PV-Paneelen wachsen. „Klingt komisch, ist aber so“, schmunzelte Moderator Walter Gröblinger.

Hagel, Frost und extreme Hitze machen es seit einigen Jahren schwer, qualitatives Obst zu gewinnen, erklärte Carina Scheuer. Auf der Suche nach Schutz für die Marillenbäume sei man auf die PV-Anlage gekommen. 600 Bäume sollen in Nähe der Weinviertler Schnellstraße gepflanzt werden.

750 lichtdurchlässige Platten über den Baumkronen sollen die Schäden minimieren. Und nebenbei werden über 400 MWh Strom pro Jahr produziert. Ein Trafo steht direkt neben dem insgesamt 11.000 Quadratmeter großen Grundstück. 4.500 Quadratmeter werden als Biodiversitätsfläche angelegt. Ein Projekt, das am besten zeige, wie Landwirtschaft und Energieversorgung kombiniert werden können.

„Ich finde nicht, dass sie optisch stören.“ Hier kam trotzdem eine kritische Stimme aus dem Publikum: Die Nähe zur Kellergasse ist manchen Anrainern ein Dorn im Auge. „Ich finde nicht, dass sie die Landschaft optisch stören; aber wir sehen, dass sie helfen können, unsere Energiezukunft sicherzustellen“, meinte Sigrid Scheuer – und erntete Applaus dafür. Es wäre das erste derartige Projekt in Niederösterreich.

Dann ergriff noch einmal der Baudirektor das Wort. 750 PV-Anlagen sind derzeit im Gemeindegebiet in Betrieb. Smutny-Katschnig rechnete vor, dass man zusätzliche 24.000 MWh Strom erreichen könnte, wenn man auf allen weiteren verfügbaren Flächen (Fassaden, Parkplätze, Dächer …) Photovoltaik installieren würde. Das sei aber nur ein theoretischer Wert.

Zum einen, weil man niemanden zwingen kann, sein Dach damit zu bestücken. Zum anderen, weil manche Flächen aus statischen oder anderen Gründen gar nicht geeignet wären. Und weil es manchmal einfach gar keinen ökonomischen Sinn mache, das ganze Hausdach mit PV zuzupflastern, wie Smutny-Katschnig am Beispiel seines eigenen Hauses demonstrierte.

Wo der Strom erzeugt wird, wirkt sich auf den Preis aus. Und noch eine Grafik präsentierte der Baudirektor: Wie günstig Strom ist, hängt immer davon ab, wie und wo er produziert wird. Ganz vorne liegen hier die Windräder mit 3 bis 6 Cent pro kWh, gefolgt von PV-Freiflächenanlagen (5 bis 8 Cent), Dachflächen-PV (8 bis 12 Cent), Agri-PV (10 bis 15 Cent) und Parkplatzflächen-PV (25 bis 35 Cent).

Fritz Strobl, Obmann der neuen Energiegenossenschaft, umriss zum Ende des Informationsblocks, wie es um die Netzkapazitäten bestellt ist; unterstrich, wie wichtig Biodiversitätsflächen für nachhaltige Landwirtschaft sind und erklärte, warum jedes E-Auto wesentlich weniger Ackerfläche benötigt als ein Verbrenner.

Die Vision sei, dass jeder an seiner Energieunabhängigkeit arbeitet, und somit sei jeder Hollabrunner Gemeindebürger eingeladen, Mitglied in der EEG zu werden. Voraussetzung ist, dass sich der entsprechende Zählpunkt auf Gemeindegebiet befindet. Derzeitiges Preisniveau: 12 Cent pro kWh.

„Wir schaffen es nicht nur mit Dächern und Parkplätzen.“ Grünen-Gemeinderat Georg Ecker meldete sich dann aus dem Publikum als Erster zu Wort. Für ihn seien der Bodenschutz und die Schaffung von Unabhängigkeit die zwei wesentlichen Punkte in dieser Sache. „So leid es mir tut, aber wir schaffen es nicht nur mit Dächern und Parkplätzen“, räumte der Mariathaler ein und appellierte, zur Befragung zu gehen. Energie klug zu nutzen bedeute im Übrigen natürlich auch, Energie zu sparen.

Danach hatten die Gäste noch Zeit, sich direkt mit den Projektwerbern auszutauschen. „Das war fachlich wirklich gut aufbereitet“, meinte Nikolas Fußenegger, Projektleiter der WEB Windenergie AG, die in Aspersdorf an PV-Freiflächen-Vorhaben beteiligt ist, die sich durch die Windrad-Nähe anbieten. Nicht nur er zeigte sich positiv überrascht.
Dennoch: Wird am 25.2. eine Wahlbeteiligung von über 50 Prozent erreicht und die Mehrheit entscheidet für Nein, dann wären die Energie-Projekte bis auf Weiteres gestorben.

von Christoph Reiterer

NÖN

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