Die Zeit des Gassparens ist jetzt vorbei

14. Feber 2024

2023 war das wärmste Jahr der Messgeschichte. Wissenschafter haben nun berechnet, wie viel Gas Österreich eingespart hat, wenn man die Statistik um diesen Wettereffekt bereinigt. Das Ergebnis ist ernüchternd.

Rund 22 Prozent weniger Gas hat Österreich vergangenes Jahr im Vergleich zum Jahr 2021 verbraucht, dem Jahr vor dem Ukrainekrieg. Österreich dürfte damit das Ziel der Europäischen Union erfüllen, 15 Prozent seines Bedarfs einzusparen. Haben Wirtschaftsbetriebe und Haushalte ihren Verbrauch also tatsächlich erfolgreich reduziert?
Aktuelle Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) und der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) stellen das infrage. Denn ein großer Teil des Verbrauchs geht auf Heizungen in Haushalten und Büros zurück – und 2023 war das wärmste Jahr in Österreichs 256-jähriger Messgeschichte. Rechnet man diesen klimatischen „Vorteil“ heraus, sieht die Lage völlig anders aus.

Offizielle Zahlen, die den Rückgang beim Gasverbrauch beschreiben, sagen aus Sicht der Wissenschafter aus zwei Gründen wenig über die tatsächlichen Einsparungen aus. Zum einen ist der Gaskonsum in Haushalten und Büros stark von der Außentemperatur abhängig. Zum anderen schwankt der Verbrauch je nach Stromproduktion. In Monaten, in denen die Wasser- und Windkraft viel Ertrag abwirft, wird weniger Gas für die Stromproduktion benötigt. Mit ihren Berechnungen haben die Forscher des Wifo und der Boku versucht, die offiziellen Zahlen um beide Effekte zu „bereinigen“.

Zunächst haben sie sich angesehen, wie stark der Verbrauch in den Jahren 2017 bis 2021 von der jeweiligen Außentemperatur abhängig war. Anhand dieser Daten prognostizierten sie, wie hoch der Verbrauch ausfallen müsste, gäbe es keine Sparmaßnahmen. Aus der Differenz zwischen der Prognose und dem tatsächlichen Verbrauch lassen sich so „echte“ Einsparungen ableiten. Im Jahr 2023 beträgt der Rückgang nach dieser Berechnung statt 22 nur noch elf Prozent.

Gutes Jahr für Wasserkraft

In einem zweiten Schritt haben die Wissenschafter auch die Stromproduktion herausgerechnet. Das Jahr 2023 war für die Wasser- und Windkraft ein vergleichsweise gutes. Auch der Ausbau der Photovoltaik macht sich mittlerweile bemerkbar. Für die Stromproduktion wurde deshalb weniger Gas verbraucht. Wenn man das berücksichtigt, fallen die echten Einsparungen im Gesamtjahr 2023 noch niedriger aus und fallen auf 4,5 Prozent. In den letzten Monaten des vergangenen Jahres lagen sie nur noch bei zwei Prozent, Anfang 2024 verbrauchte Österreich sogar mehr Gas.
„Die Einsparungen, die über die Temperatureffekte und die Effekte der Stromproduktion hinausgehen, sind mittlerweile bei null“, sagt Johannes Schmidt von der Boku im Gespräch mit dem STANDARD. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Gaspreise im letzten Jahr gesunken sind und dadurch der Sparanreiz weggefallen ist. „Es ist anzunehmen, dass die tatsächlichen Einsparungen stark mit der Entwicklung der Preise zusammenhängen, auch wenn wir dazu keine Berechnungen haben.“

Seinen Höchststand hatte der Österreichische Gaspreisindex mit einem Wert von 955 im Oktober 2022 erreicht. Seither sind die Preise kontinuierlich bis auf neue Tiefstände Ende 2023 und Anfang 2024 gesunken – und damit wohl auch die monetären Anreize für Haushalte und Industriebetriebe, weniger Gas zu verbrauchen.

Der Standard