Energie: Raus aus der russischen, rein in die chinesische Abhängigkeit

19. Feber 2024

Solarindustrie: Die europäischen Firmen brauchen rasch Unterstützung gegen die politische Einflussnahme Chinas, sonst sind sie bald Geschichte

Während Energieministerin Leonore Gewessler mit den heimischen Gasimporteuren und der Industrie darüber diskutiert, wie man die Abhängigkeit von russischem Gas tatsächlich reduzieren könnte, stürzt sich Europa seit einiger Zeit mit Anlauf in die nächste Abhängigkeit. Europa ist drauf und dran, sich in der Sparte Solarstrom aus dem Rennen zu nehmen und den Chinesen das Feld zu überlassen. Das ist zum Teil selbstgemacht, zum Teil das Ergebnis hegemonialer Energiepolitik in Peking.

Letztere funktioniert nach einem sehr einfachen Prinzip. In China gilt Energie als kritische Infrastruktur, und mit diesem Argument werden ausländische Anbieter vom Heimmarkt ferngehalten. Gleichzeitig subventioniert die chinesische Regierung die eigene Solarindustrie so stark, dass diese in Europa fast unschlagbar billig anbietet und die hier ansässige Industrie an den Rand zu drängen droht. Ähnlich wie bei der 5G-Technologie im Mobilfunknetz bieten Firmen wie Huawei alles auf, um den Markt zu dominieren.

Mit den eigenen Waffen

Das erscheint einigermaßen skurril, denn die Chinesen haben ihr Wissen und ihre ursprünglichen Maschinen von Europa bekommen und versuchen die Konkurrenz hier nun mit deren eigenen Waffen zu schlagen.
In den vergangenen Wochen hat der Schweizer Modul- und Zellproduzent Meyer Burger angekündigt, in Deutschland Werke zu schließen, der deutsche Traditionsbetrieb Solarwatt hat 85 Mitarbeiter gekündigt und sieht sich in seiner Existenz bedroht.

Beim oberösterreichischen Solarenergie-Pionier Fronius sind die Absatzzahlen ebenfalls eingebrochen, die Arbeitszeit von 1000 Beschäftigten musste in der Folge reduziert werden (die OÖNachrichten haben darüber berichtet).
Fronius-Chefin Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß sieht trotz der Probleme nicht schwarz für die eigene Branche, sondern Chancen, benennt aber auch die virulenten Probleme.

„Es geht nicht nur um Module“

„Es stimmt zwar, dass die Chinesen bei den PV-Modulen sehr stark sind und Europa tatsächlich ein Problem hat, aber es geht eben nicht nur um Module, sondern um das generelle Know-how, das in der PV-Technologie notwendig ist. Und da sind wir in Europa nicht zu unterschätzen“, sagt die Fronius-Chefin im Gespräch mit den OÖNachrichten und warnt gleichzeitig vor einer verstärkten Einflussnahme der Chinesen.

Fronius ist vor allem bei Wechselrichtern erfolgreich. Diese wandeln den mit PV-Anlagen erzeugten Gleichstrom in für das Stromnetz kompatiblen Wechselstrom um. Diese Wechselrichter wiederum sind wie Handys ständig mit dem Internet verbunden, weil ihre Software laufend wie eine App ein Update benötigt. Damit sei die Gefahr gegeben, dass die Chinesen in Europa mit wenig Aufwand einen Blackout, also ein Zusammenbrechen des Stromnetzes, erreichen können. Der Solarstrom wird auf diese Weise zu einer Waffe. „Bei unseren Anlagen mögen auch chinesische Komponenten verbaut sein, aber nicht in den neuralgischen Teilen“, sagt Engelbrechtsmüller-Strauß.

Die europäische Solarindustrie hat sich gemeinsam an die EU gewandt und fordert Unterstützung, um bestehen zu können. Dabei gehe es nicht darum, die Förderung für den Absatz von PV-Anlagen zu erhöhen oder Importzölle einzuheben. Es gehe eher darum, zu erreichen, dass mehr Wertschöpfung in Europa bleibe, die Branche also resilienter werde. „Wo die Fertigung und die Arbeitsplätze sind, kann auch geforscht werden. Das fördert man freilich nicht, wenn man die eigene Industrie mit Bürokratie wie dem Lieferkettengesetz lähmt, während die Unternehmen in den USA oder China diese Probleme nicht haben“, sagt die Vize-Präsidentin der oberösterreichischen Industriellenvereinigung.
Die USA würden mit dem Inflation Reduction Act geschickter agieren und grüne industrielle Produktion im eigenen Land fördern. Die Herstellung von Wechselrichtern ist dort ein zentraler Baustein.

Oberösterreichische Nachrichten

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