„Stromkostenbremse hatte ab 2023 keinen Sinn mehr“

19. Feber 2024

Chef des Energieversorgers Spotty sieht Markt als Regulator und verkauft Strom zu Großhandelspreisen auch an Haushalte

Die Turbulenzen an den Strommärkten nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine vor zwei Jahren sind vielen noch schmerzhaft in Erinnerung. Die Regierung versuchte, durch Installierung einer Stromkostenbremse die ärgsten Auswirkungen auf Endverbraucher und -verbraucherinnen zu lindern. Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen.

„Die Stromkostenbremse mag 2022 Sinn gemacht haben, ab 2023 nicht mehr“, sagte Harri Mikk dem STANDARD. Der gebürtige Este ist Geschäftsführer und Mitgründer des Energieversorgungsunternehmens Spotty. Dieses ermöglicht Haushaltskunden, was bisher Industriebetrieben vorbehalten war: Strom zu Börsen- und nicht zu Fixpreisen mit in der Regel zwölfmonatiger Bindung zu beziehen. Der Vergleich mache sicher, sagte Mikk.

Wenn man die Periode von Anfang 2022 bis heute betrachte, liege das arithmetische Mittel der Spotpreise an der European Energy Exchange (EEX) bei 17,6 Cent/kWh. Darin inkludiert seien auch die Ausschläge der Strompreise im August 2022 auf kurzfristig 50 Cent je Kilowattstunde (kWh).

Diejenigen, die Anfang 2022 bei ihrem Energieversorger noch einen Fixvertrag mit rund acht Cent je kWh abgeschlossen hätten, seien gut gefahren. Die Spotnotierungen lagen damals bei rund 22 Cent/kWh. Im Herbst 2022 habe sich die Lage dann dramatisch verändert: Fixpreisangebote, noch dazu mit zwölfmonatiger Bindung, lagen selten unter 50 Cent/kWh; die Großhandelspreise gingen hingegen schon wieder zurück.

Das, was man sich mit einem Fixpreis davor erspart habe, sei deutlich weniger gewesen als das, was man hinterher habe mehr zahlen müssen. „Der Markt war der eigentliche Preisbremser, nicht die Stromkostenbremse“, sagte Mikk.
Die Stromkostenbremse deckelt den Preis bei zehn Cent, die Differenz zu den von den arrivierten Energieversorgern verlangten Preisen zahlt bis zu einem maximalen Jahresverbrauch von 2900 kWh und bis maximal 40 Cent der Staat. Ab 1. Juli sinkt die Unterstützung, die auf der Jahresabrechnung automatisch berücksichtigt wird, um die Hälfte von 30 auf 15 Cent/kWh. Zum Vergleich: Die Spotpreise liegen derzeit bei sieben bis acht Cent/kWh im Tagesschnitt, also deutlich tiefer.

Einen Sinn sieht Mikk in der Stromkostenbremse dennoch, wie er augenzwinkernd meint: Die Bremse unterstütze die Beschaffungs- und Absatzstrategie der großen Energieversorger, die sich in öffentlichem Eigentum befinden. Diese kauften Strom rollierend zumeist ein Jahr im Voraus ein, in großen Mengen und zu fixen Preisen. „Sie müssen dann aber auch sicher sein, den Strom auch fix absetzen zu können“, sagte Mikk. Wenn viele Kunden abwanderten, bliebe der Energieversorger auf seinem Strom sitzen und hätte ein gröberes Problem.

Anders als etablierte Energieversorger kaufe Spotty tagesaktuell Strom an der Börse ein und verkaufe ihn mit einem Aufschlag von 1,49 Prozent weiter. Bindung gebe es keine, Kunden könnten jederzeit zu einem anderen Anbieter wechseln.

Seit rund einem Jahr ist Spotty, das seine Wurzeln in Estland hat, ein österreichisches Unternehmen. Als Mehrheitseigentümer sind Gasser und Partner aus Klagenfurt eingestiegen – „aktive Investoren mit Erfahrung im Energiegeschäft“, wie Mikk sagt.

Laut einer EU-Vorgabe müssen künftig auch etablierte Energieversorger zumindest ein Spotpreisangebot in ihrem Portfolio haben. In Zukunft werde somit nicht mehr der Strompreis ausschlaggebend sein, zu welchem Anbieter Kunden wechseln, sondern die Qualität zusätzlicher Services, die angeboten werden.

Eine Dienstleistung, die Spotty seit kurzem ihren Kunden anbietet, ist Smart Charging. Elektroautos würden meist zu Hause zwischen 17 und 19 Uhr geladen. Das seien in der Regel die teuersten Stunden. Mit einer Applikation könnten Kunden vorgeben, wann das Auto morgens voll geladen sein soll – „und wir wählen die günstigsten Stunden zum Laden aus“, sagte Mikk.

Der Standard

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