Gazprom sucht Ausweg für Ukraine-Transit

1. März 2024

Die Stimmen für einen Ausstieg Österreichs aus russischem Gas werden lauter. Im Hintergrund laufen ganz andere Überlegungen.

„Wir brauchen kein russisches Gas und wir wollen kein russisches Gas.“ So klar ist die Situation nach Ansicht von Othmar Karas, ÖVP-Europaabgeordneter und Vizepräsident des EU-Parlaments. Gas gebe es in Europa und Österreich bis 2026 genug. Daher sollten sich „Politik und Wirtschaft umgehend an einen Tisch setzen“ und Zeitplan und Maßnahmen zur Beseitigung der Abhängigkeit von Gas aus Russland beschließen, fordert Karas am Mittwoch – unterstützt vom früheren OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss. Der verweist erneut darauf, dass der Zeitpunkt günstig wäre, ein Datum für den Ausstieg festzulegen. Und aus dem umstrittenen Vertrag der OMV mit dem russischen Gasmonopolisten Gazprom rauszukommen, wenn Ende 2024 der Gas-Transitvertrag durch die Ukraine ausläuft.
Abgesehen von Neos und Grünen hat es die Politik aber weiter nicht eilig. Karas’ eigene Partei, die ÖVP, kommt über Absichtserklärungen nicht hinaus. Im Dezember kamen wieder 98 Prozent der Gasimporte aus Russland. Indes sucht die Gazprom im Hintergrund nach Möglichkeiten, um trotz des Vertragsendes und des Kriegs weiter Gas quer durch die Ukraine zu leiten. „Es wird bereits daran gearbeitet“, sagt Roiss. Umso klarer sollte die österreichische Regierung definieren, ab wann sie kein russisches Gas mehr wolle. Als Signal, um „Umgehungen“ zu verhindern und das Risiko von Preissprüngen durch plötzliche Lieferstopps zu senken.

Die ukrainische Regierung hat ausgeschlossen, dass der Transitvertrag verlängert wird, nicht aber dass entsprechend den EU-Vorgaben weiter Gas fließen kann. Die ukrainischen Gasnetz- und Speicherbetreiber bereiteten sich „proaktiv auf die Zukunft ohne Transitvertrag vor,“ heißt es von der EU-Organisation Energy Community – mit Unterstützung von internationalen Partnern.

Wer mit wem spricht, darüber will niemand reden. „Es tut sich hinter den Kulissen mehr als vermutet“, heißt es. Kiew hat deutlich gemacht, dass es einen klaren Schnitt Ende 2024 vorziehen würde. Die fünf Länder, die noch substanziell an russischem Gas hängen – neben Österreich Ungarn, die Slowakei, Tschechien und Slowenien –, haben dem Vernehmen nach der EU-Kommission signalisiert, dass ein, zwei Jahre länger die Abnabelung vereinfachen würden. Auch wenn alle, ähnlich wie Österreich, durchkommen würden. Nach Russlands Ukraine-Angriff hat sich die EU vorgenommen, bis 2027 ohne russisches Gas auszukommen. Der Importanteil ist von 45 auf 15 Prozent (inklusive Flüssiggas) gesunken.
Damit Gazprom weiter über ukrainische Pipelines liefern könnte, müsste ein Zwischenhändler den Transport bis zur ukrainisch-slowakischen Grenze übernehmen. Vorstellbar sei beispielsweise ein staatsnahes Unternehmen eines russlandfreundlichen EU-Landes, sagt Ex-E-Control-Vorstand Walter Boltz – ohne die ungarische MOL konkret zu nennen. Die Mengen würden aber von einst 40 auf etwa zehn Mrd. Kubikmeter sinken, schätzt er – und die Transporttarife würden steigen.

von Monika Graf

Salzburger Nachrichten

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