Strom ist wieder richtig billig – aber nicht für alle

28. März 2024, Wien

Energie. An den Börsen purzeln die Energiepreise seit Monaten. Aber nur wer sich kümmert, zahlt wieder so wenig wie vor der Krise.

Wer im Zuge der Energiekrise das erste Mal genauer auf seine Stromrechnung geblickt hat, muss sich heute vorkommen wie im Wunderland. Statt Fantasiepreisen von 50 bis 60 Cent je Kilowattstunde ist Strom an der Börse heute schon wieder um weniger als zehn Cent zu haben.

Allein im Vorjahr sind die Großhandelspreise für Strom und Gas um die Hälfte gefallen. Und das kommt nun – mit Verspätung – auch bei den österreichischen Haushalten an. Viele Anbieter, zuletzt der Verbund und die Wien Energie, senken ihre Preise und werben kräftig damit. Doch die Mehrheit der Stromkunden im Land profitiert davon (noch) nicht.

Bei Neukundenverträgen näherten sich die Preise zwar schon wieder dem Wert, der auch an den Börsen verlangt werde, sagt E-Control-Chef Wolfgang Urbantschitsch. Bei Bestandskunden kämen die gesunkenen Preise hingegen nicht oder nur mit großer Verzögerung an. „Ein Strompreis von 25 Cent je Kilowattstunde ist nicht mehr günstig“, sagt er. Wirklich billige Anbieter seien inzwischen im einstelligen Centbereich unterwegs. Das Gros der Kunden bezahle jedoch immer noch um die 20 Cent, vereinzelt bis zu 50 Cent je Kilowattstunde. Ein Problem sind aus der Sicht des Regulators die intransparenten Stromrechnungen und „kreativen“ Rabattaktionen der Anbieter. Jeder zweite Kunde im Land hat keine Ahnung, wie viel er tatsächlich für Strom bezahlt. Bei Gas tappen sogar sieben von zehn im Dunkeln.

Floater statt Ballonpreise

Selbst wenn die Preise für Bestandskunden gesenkt werden, profitieren nicht alle. Wer sich nicht kümmert, bezahlt oft weiter „extreme Preise“, sagt E-Control-Chefvolkswirt Johannes Mayer. Denn viele Unternehmen verrechnen weiterhin „Ballonpreise“ von 50 bis 60 Cent und bieten dann großzügige Rabatte an. Nicht alle Kunden wissen, dass sie aktiv zustimmen müssen, um davon zu profitieren. „Wir müssen daher damit rechnen, dass zehn Prozent der Kunden selbst bei den jüngsten Preissenkungen zurückbleiben.“ Darum plädiert die Behörde für „echte“ Senkungen der Preise je Kilowattstunde anstelle der intransparenten Rabatte. Der sicherste Weg zu billigeren Strom- und Gaspreisen ist jedoch ohnedies der Lieferantenwechsel.

Mayer bricht dabei auch eine Lanze für sogenannte Floater-Tarife, bei denen der Energiepreis automatisch mit den Preisen an der Börse mitschwankt. In Hochpreisphasen sind solche Tarife natürlich riskanter als Verträge mit fixen Preisen. Aber selbst im Jahr 2022, auf dem Höhepunkt der Energiepreiskrise, wären heimische Kunden mit einem Floater relativ günstig davongekommen. Im Schnitt hätten sie knapp über 26 Cent je Kilowattstunde bezahlt, 2023 waren es noch zehn Cent.

Aktuell liegt man mit Floatern oft so niedrig, dass nicht einmal mehr die Strompreiskostenbremse der Regierung greift. Händler an der Börse rechnen auch für 2025 mit weiter fallenden Preisen. Angesichts dieser Entwicklung müsse der Bund „natürlich überdenken, ob es noch staatliche Hilfsmaßnahmen braucht“, so Urbantschitsch.

Ökonomen des Wifo machten kürzlich auch mangelnden Wettbewerb unter Landesenergieversorgern für die hohen Strompreise verantwortlich. „Dieses strukturelle Problem haben wir seit der Liberalisierung“, sagt auch Mayer. Viele internationale Anbieter hätten sich rasch an die hohen Margen in Österreich gewöhnt. Aber es gebe genug Lieferanten, die gute Preise böten. Man müsse sie nur suchen – und zu ihnen wechseln.

Auf einen BlickÖsterreichs Stromanbieter senken die Preise. Doch bisher profitieren meist nur Neukunden, kritisiert die E-Control. Intransparente Rabattaktionen und eine verzögerte Weitergabe der gefallenen Börsenpreise ließen Bestandskunden weiter zu viel für Energie bezahlen.

von Matthias Auer

Die Presse

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