EU macht sich bei Gas von den USA abhängig

4. April 2024, Brüssel

Energie. Die meisten EU-Staaten haben sich von russischem Gas losgesagt und Alternativen organisiert, doch mit dem Risiko neuer Dominanzen und Preisspiralen. Was das bedeutet, zeigt ein erster Eingriff der US-Regierung in LNG-Exporte.

Für die deutschen Grünen war es eine bittere Pille, die sie mit dem von der Berliner Regierung unterstützten Ausbau von Anlandeanlagen für Flüssiggas (LNG) an der Küste schlucken mussten. Seit Februar hat einer dieser Terminals in Mukran auf Rügen seinen Probebetrieb aufgenommen – ein ökologisch und klimapolitisch umstrittenes Projekt. Doch die Bestrebungen, von russischem Gas unabhängig zu werden, verlangen nach Kompromissen. In Mukran wird so wie in den weiteren deutschen Terminals in Wilhelmshaven, Lubmin, Brunsbüttel und Stade vor allem US-amerikanisches LNG in die Gaspipelines eingespeist und landet so in deutschen Industriebetrieben und Haushalten. Neben Pipelinegas aus Norwegen sind die USA mittlerweile der wichtigste Flüssiggaslieferant für Deutschland und die gesamte EU.
Die LNG-Importe aus den USA stiegen so stark, dass das Magazin „Politico“ diese Woche erstmals die Frage stellte, ob sich die EU nach der Abkehr von Russland in eine neue problematische Abhängigkeit begibt. Immerhin stehen in den USA Wahlen an. Wer kann ausschließen, dass ein künftiger Präsident Donald Trump diese Exportdominanz für Erpressungsversuche auf anderen Gebieten ausnutzt?

Beschränkung bei US-Lizenzen

Vor dem Kriegsbeginn in der Ukraine war Russland laut Daten des Thinktanks Bruegel mit 41,11 Millionen Kubikmeter im ersten Quartal 2021 noch der wichtigste Lieferant für die gesamte EU. Die USA kamen damals gerade einmal auf ein Zehntel der Menge oder 4,05Mio. Kubikmeter. Ende 2023 lieferten amerikanische Anbieter bereits 17,03 Mio. Kubikmeter pro Quartal und wurden damit am LNG-Sektor der deutlich wichtigste Partner für Europa. Pro Monat gelangen mittlerweile zwischen fünf und sieben Mio. Kubikmeter US-LNG in die Europäische Union. Zweitwichtigster LNG-Lieferant ist übrigens Russland mit aktuell 1,6Mio. Kubikmeter pro Monat.

Die Frage der neuen Abhängigkeit stellte sich erstmals, als sich die US-Regierung unter Präsident Joe Biden Anfang des Jahres entschloss, für eine Übergangszeit keine neuen Ausfuhrlizenzen für LNG mehr zu vergeben. Zuerst müssten die klimapolitischen Auswirkungen evaluiert und Aspekte der nationalen Sicherheit abgeklärt werden, bevor insbesondere aus Texas und Louisiana noch mehr Flüssiggas exportiert werden dürfe, argumentierte das Weiße Haus. Während Biden mit derartigen Beschränkungen seine klimafreundlichen Unterstützer bedient, könnte sein möglicher Nachfolger, der republikanische Spitzenkandidat Donald Trump, die europäische Abhängigkeit von LNG für seinen bereits in der ersten Amtszeit begonnen Handelskonflikt mit der EU nutzen.

Schon fürchtet etwa die Eurogas Trade Association, der Verband europäischer Gashändler, dass mit der erstmals ausgelösten US-Exportbremse die zuletzt stabilisierten Gaspreise in ein neues Rekordhoch driften könnten. Eurogas appellierte deshalb ebenso wie Texas, Louisiana und ein weiteres Dutzend von US-Bundesstaaten an das Weiße Haus, die Suspendierung neuer Lizenzen rasch wieder zu beenden.

Bei US-Produzenten gibt es durchaus Willen, das Geschäft mit Europa auszuweiten. Laut den Zahlen von Bruegel ist Norwegen aktuell noch der wichtigste Gaslieferant für die EU. Im letzten Quartal 2023 kamen 23,87 Mio. Kubikmeter Gas vorwiegend über Pipelines aus dem nordischen Land in die EU. Das Problem ist allerdings, dass Norwegen seine Lieferkapazitäten nicht mehr deutlich ausweiten kann, die USA hingegen schon.

US-Gas auch für Österreich

Bedarf an Gas wird es trotz der Energiewende in Europa weiterhin geben. Beendet die Ukraine die Durchleitungsverträge für den russischen Anbieter Gazprom mit Jänner 2025, muss sich auch Österreich neue Lieferanten suchen. Im Jänner dieses Jahres kamen noch 97 Prozent der Gasimporte aus Russland. Die Regierung hat angekündigt, Österreich werde künftig mehr norwegisches Gas und LNG importieren.

Zu diesem Zweck wird im Eiltempo eine Pipeline Richtung Deutschland fertiggestellt. Der Ausbau soll laut Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) eine 30-prozentige Steigerung der Importkapazitäten zwischen Deutschland und Österreich bringen. Damit könnte in ein bis zwei Jahren auch US-Flüssiggas, das an der deutschen Küste umgewandelt und in Pipelines gespeist wird, hierzulande genutzt werden. Auf der kroatischen Insel Krk wird ebenfalls ein LNG-Terminal ausgebaut. Österreich unterstützt das von der EU mitfinanzierte Projekt und setzt auch aus dem Süden auf neue Importwege für Flüssiggas.

von Wolfgang Böhm

Die Presse

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