Große Wärmespeicher aus Wasser, Sand, Salz oder Ziegel könnten erneuerbare Energie für mehrere Tage oder Wochen speichern und damit Schwankungen bei der Stromproduktion ausgleichen. Südlich von Graz soll ein alter Steinbruch zu einem solchen Wärmespeicher umfunktioniert werden.
Es klingt ein wenig paradox, dass ausgerechnet ein alter Steinbruch im Süden von Graz zur Zukunft der Energiewende werden soll. Jahrhundertelang wurde in dem Steinbruch Weitendorf bei Wildon Basalt abgebaut, ein Vulkangestein, das als Pflaster und später für den Straßenbau diente. Vor 80 Jahren war der Steinbruch noch das größte Basaltwerk Österreichs.
Nun soll er eine völlig neue Zukunft als riesiger Wärmespeicher bekommen, der erneuerbare Energie speichert und bei Bedarf wieder abgibt. Dafür soll der Steinbruch wie ein Pool mit Wasser aus einem nahegelegenen Fluss geflutet werden und innerhalb seiner bis zu 30 Meter hohen Steinwände rund 1,5 Millionen Kubikmeter Wasser halten.
Umliegende Solarthermie-Kollektoren sollen den zugedeckten Speichersee dann auf 90 bis 95 Grad aufheizen, ein Biomasse-Heizwerk und eine Hochleistungswärmepumpe sollen zusätzliche Heizleistung bringen. Über eine vier Kilometer lange Leitung soll die Energie des Speichersees bei Bedarf dann ins Fernwärmenetz eingespeist werden. Ab 2026 soll der Wärmespeicher rund ein Viertel des Grazer Fernwärmebedarfs abdecken.
Laut den Projektbetreibern ist ein solcher Wärmespeicher der beste Weg hin zu einer „ökologischen Energiewende“. Der Grund: Erneuerbare Energien aus Sonne oder Wind produzieren Energie nur unregelmäßig. Wie diese Energie über einen kürzeren oder längeren Zeitraum gespeichert werden kann, sodass sie auch dann bereitsteht, wenn kein Wind bläst oder die Sonne nicht scheint, sei eine zentrale Frage bei der Energiewende.
Energie länger speichern
Denn derzeit gibt es noch zu wenige Energiespeicher, zudem haben bestehende Energiespeicher mit einigen Hürden zu kämpfen. Pumpspeicherkraftwerke, die Wasser bei Stromüberproduktion nach oben pumpen, brauchen Wasserreservoirs mit großer Höhendifferenz, bei Wasserstoff, der mittels Strom aus erneuerbaren Quellen hergestellt wird, geht bei der Erzeugung viel Energie verloren. Batteriespeicher wiederum sind häufig auf knappe Rohstoffe angewiesen und können Strom meist nur kurzfristig speichern.
Forschende und Unternehmen arbeiten deshalb bereits seit einiger Zeit an neuen Wärmespeichern, die größere Mengen an grüner Energie auch mittel- bis langfristig besser speichern können. Dafür sollen neben Wasser auch andere vergleichsweise leicht verfügbare Materialien wie Sand, Salz, Ziegel oder Steine zum Einsatz kommen.
Forschende am National Renewable Energy Laboratory (NREL) des US-Energieministeriums etwa wollen demnächst einen ersten Hochtemperatur-Wärmespeicher aus Sand testen. Dafür sollen Heizgeräte, die mit erneuerbarem Strom betrieben werden, den Sand auf bis zu 1100 Grad aufheizen. Dieser wird dann in einem Silo gelagert und später wieder genutzt, um mithilfe von Wärmetauschern Strom oder Prozesswärme für die Industrie zu erzeugen. Bei der Umwandlung von Wärme in Strom liege der Wirkungsgrad bei circa 52 Prozent, sagt Jeffrey Gifford, einer der beteiligten Wissenschafter, zum STANDARD.
Laut den Forschenden ist es möglich, mehr als 95 Prozent der Wärme für mindestens fünf Tage zu speichern. Bei dieser Form der mittellangen Energiespeicherung gebe es derzeit vielerorts eine Lücke. Im Vergleich zu Batterien oder Pumpspeichern sei Sand als Speichermedium zudem günstig. Während eine Lithium-Ionen-Batterie rund 300 US-Dollar und Pumpspeicher rund 60 US-Dollar pro Kilowattstunde kosten, liege der Preis für den Sandspeicher bei lediglich vier bis zehn US-Dollar pro Kilowattstunde. Zum Einsatz kommen soll Quarzsand, der etwa im Mittleren Westen in den USA, aber auch in weiten Teilen Europas vorkommt. „Theoretisch könnte die Technologie künftig in vielen Regionen zum Einsatz kommen“, sagt Gifford.
Das finnische Unternehmen Polar Night Energy setzt in einer Stadt in Südfinnland bereits auf eine solche „Sandbatterie“. Dafür wird ein hoher Turm mit Sand gefüllt, der aus zermahlenem Speckstein stammt, und dieser Sand mit erneuerbarem Strom auf 500 bis 600 Grad erhitzt. Bis zu acht Megawattstunden Wärmeenergie soll die Sandbatterie laut dem Unternehmen speichern können. Bei Bedarf kann diese Energie dann wieder in das Fernwärmenetz eingespeist werden.
Je größer, desto besser
„Der große Vorteil davon, Wärmeenergie in Sand zu speichern, ist, dass damit hohe Temperaturen gespeichert werden können“, sagt Julian Hunt, Wissenschafter am Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg, zum STANDARD. Zudem könne dadurch viel überschüssiger Strom aus dem Netz abgefangen und dann über Tage oder Wochen wieder als Wärme zur Verfügung gestellt werden.
Je größer die Wärmespeicher sind, desto günstiger sei die Speicherung, und desto geringer seien die Verluste, sagt Hunt. Als individuelle Lösung für einzelne Häuser seien solche Wärmespeicher daher weniger geeignet. Generell liege der Wirkungsgrad bei solchen Wärmespeichern bei 50 bis über 90 Prozent. Je nachdem, wie lange die Wärme gespeichert wird, wie hoch die Temperatur oder wie gut die Isolierung ist, blieben am Ende 50 bis 90 Prozent der ursprünglichen Energie übrig.
Das kalifornische Start-up Rondo Energy setzt für die Wärmespeicherung beispielsweise auf Ziegel, die in isolierten Stahlbehältern mithilfe von elektrischen Heizstäben auf mehr als 1500 Grad aufgeheizt werden. Diese Ziegel können die Wärme laut dem Unternehmen über mehrere Tage mit einem Energieverlust von weniger als einem Prozent pro Tag speichern. Das Unternehmen Heatcube wiederum nutzt geschmolzenes Salz als Speichermedium, das Temperaturen von bis 500 Grad speichern und das bei Bedarf wieder für die Stromproduktion genutzt werden kann.
Gas sehr billig
„Bei Temperaturen bis 100 Grad ist Wasser das beste Speichermedium, zwischen 300 und 700 Grad Salzschmelzen und für alles darüber Ziegel, Sand oder Steine“, sagt Christoph Hochenauer, Wärmetechnik-Experte an der TU Graz, zum STANDARD. Das Potenzial für den Ausbau solcher Wärmespeicher sei enorm.
Warum gibt es dennoch nicht mehr davon? „Gas war bisher schlicht zu billig“, sagt Hochenauer. Der Ausbau solcher Speicher habe sich bisher oft nicht rentiert. Mit den höheren Gaspreisen und dem Ausbau der erneuerbaren Energien ändere sich das jedoch gerade.
Ironischerweise könnten gerade auch die Überbleibsel des fossilen Zeitalters Teil einer postfossilen Zukunft werden. „Alte Öltanks könnten künftig vermehrt zu Zwischenspeichern umgebaut werden“, sagt Hochenauer.
Hunt wiederum sieht viel Potenzial in aufgelassenen Minen als riesigen Batterien. Steht gerade viel überschüssiger Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung, könnten bereits bestehende Lastenaufzüge in Minen Materialien wie Sand mit Elektromotoren nach oben heben. Gibt es dann wieder Strombedarf, werden die Aufzüge möglichst tief abgesenkt und durch regeneratives Bremsen Strom erzeugt. Weltweit ließen sich laut Hunt sieben bis 70 Terawattstunden auf diese Art einspeichern.
Ganz reibungslos dürften solche Projekte aber nicht immer umsetzbar sein. An dem Wärmespeichersee südlich von Graz etwa regte sich in den vergangenen Wochen viel Kritik. „Es stellt sich die Grundsatzfrage, warum ein Projekt dieses Ausmaßes nicht unter eine UVP-Pflicht fällt“, hieß es etwa vom Verein „Rettet das Kainachtal“. Auch den mehr als 60 Hektar großen Gesamtflächenbedarf des Projekts kritisiert der Verein.
Dass es für das Projekt keine UVP brauche, liege daran, dass viele Werte des Projekts, etwa die Größe des Speichersees, unter die Grenzwerte für eine UVP fallen, sagt Heimo Ecker-Eckhofen, Geschäftsführer des beteiligten Unternehmens, zum STANDARD.
„Wir werden die Welt mit Energiespeichern nicht retten, sondern nur mit Energiesparen“, gibt Hochenauer zu bedenken. Wenn wir weniger Energie verbrauchen, brauchen wir auch weniger Speicher. „Darauf sollten wir uns vor allem konzentrieren.“
Der Standard