Ein Gaslieferstopp ist schon eingepreist

3. Juni 2024, Wien

An der Gasbörse gehen die Preise wieder nach oben. Ausschläge wie 2022 werden nicht mehr erwartet, aber weitere Preissenkungen sind unsicher. Importe über Deutschland werden ab 2025 wieder günstiger.

Die Salzburg AG hat ihren Kunden für Oktober eine 15-prozentige Senkung der Gaspreise in Aussicht gestellt. Der Salzburger Landesversorger zählt unter den Bundesländer-Platzhirschen hinter den Vorarlberger Illwerken und Burgenland Energie derzeit zwar zu den günstigsten. Bei einem Wechsel zu einem alternativen Anbieter kann sich ein durchschnittlicher Haushalt mit 15.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch derzeit laut E-Control bis zu 583 Euro im Jahr ersparen. Versorger wie Goldgas profitieren von den gesunkenen Großhandelspreisen.

An den Börsen sind die Preise in den vergangenen Tagen aber wieder in Bewegung geraten. Seit Mitte Mai sind sie um etwa 20 Prozent auf rund 35 Euro je Megawattstunde (MWh) geklettert. Grund dafür waren laut Experten (geplante) Wartungsarbeiten in Norwegen, nicht zuletzt aber die überraschende Warnung der OMV vor einem möglichen Lieferstopp aus Russland infolge eines Gerichtsurteils. Das schürt Ängste, dass die Gasmärkte wieder verrücktspielen könnten – so wie nach dem russischen Angriff auf die Ukraine vor zwei Jahren.

„Die Marktteilnehmer sind nervös und die Preise volatil. So lange das Drohpotenzial besteht, wird das auch so bleiben“, sagt Christoph Dolna-Gruber von der Österreichischen Energieagentur (AEA). „Ich erwarte aber nicht, dass sie auf das Niveau von damals zurückkehren.“ 2022 kletterte der Großhandelspreis für Gas auf fast 340 Euro je Megawattstunde (MWh) – und trieb auch die Strompreise. Zum Vergleich: Vor der Coronapandemie lag der Preis bei 20 Euro je MWh.
Johannes Mayer, Preisexperte der Regulierungsbehörde E-Control, beruhigt. Der Großteil der Marktteilnehmer in Europa sei bereits von einem Aus des – für die OMV und Österreich wichtigen – Transports von russischem Erdgas durch die Ukraine ausgegangen, wenn der Transitvertrag mit Dezember 2024 ausläuft. Das sei an höheren Preisen für Gas zur Lieferung im 1. Quartal 2025 ablesbar.

Sollte schon vor Jahresende weniger Gas kommen oder es ganz ausbleiben, sei mit einem Preisauftrieb zu rechnen, „aber begrenzt“. Kurzfristig könnte es stärkere Ausschläge geben, „weil die Märkte immer überschießend reagieren, wenn Unvorhergesehenes passiert“. Nach ein bis zwei Wochen sollten sich die Preise aber auf dem derzeitigen Niveau einpendeln.

„Die Erwartungen der Marktteilnehmer sind bei 30 und 40 Euro je Megawattstunde im Großhandel gelegen – und da sind wir“, sagt Mayer. Die jüngsten Ereignisse könnten aber weitere Tarifsenkungen für Haushalte verhindern. Mayer schätzt, dass Versorger mit Preisreduktionen abwarten oder diese geringer ausfallen.

An Erdgas mangelt es nach Ansicht der Marktkenner nicht mehr. Das gilt auch als der große Unterschied gegenüber Kriegsbeginn. Die OMV hat „für ihre Kunden“ vorgesorgt. 40 Terawattstunden an alternativen Gaskapazitäten wurden eingekauft, wie der teilstaatliche Öl- und Gaskonzern wiederholt betont hat. Angesichts des gesunkenen Gasverbrauchs sind das fast zwei Drittel des Jahresbedarfs in Österreich – ohne Tirol und Vorarlberg, die am deutschen Markt hängen.

Der warme Winter, die lahmende Konjunktur, Effizienzmaßnahmen, Erneuerbaren-Ausbau und Heizungstausch haben den Gasverbrauch 2023 um 13 Prozent auf 69 Terawattstunden (TWh) sinken lassen. In den ersten fünf Monaten hat sich der Trend laut Dolna-Gruber fortgesetzt: Der Verbrauch lag um zehn Prozent unter 2023 und knapp ein Viertel unter dem Durchschnitt von 2018 bis 2022. Durch die größere Rolle von Flüssiggas (LNG, Liquid Natural Gas) in der EU sind globale Entwicklungen mittlerweile eher ausschlaggebend für die Preise als Russland. Der weitere Ausbau der LNG-Infrastruktur in der EU trage ebenfalls dazu bei, „Angebotschocks“ zu verhindern.

Zugleich sind die Speicher gut gefüllt. Mitte der Woche betrug der Füllstand 78,3 Prozent – und die Leitungskapazitäten aus dem Süden und Westen (insgesamt bis zu 160 TWh) sind laut E-Control ausreichend. In den vergangenen Monaten wurde wenig Gas über Deutschland importiert, nicht zuletzt wegen der umstrittenen Speicherumlage, die auch bei Transit eingehoben wird und im Juli von 1,86 auf 2,50 Euro je MWh steigt.
Deutschlands Staatssekretär für Wirtschaft, Sven Giegold, hat am Donnerstag die Abschaffung der Umlage für durchgeleitetes Gas angekündigt. Das würde die Importe über diese Leitungen erleichtern. Klimaschutz- und Energieministerin Leonore Gewessler begrüßt den Schritt als „wichtigen Erfolg unserer Bemühungen“. Damit sei ein weiteres Hindernis aus dem Weg. „Es gibt keine Ausreden für mehr Unabhängigkeit von Russland.“

von Monika Graf

Salzburger Nachrichten