Gasversorgung. Der öffentliche Angriff von Ministerin Gewessler (vor allem) auf Wien hat Stadtrat Hanke massiv verärgert. Er nimmt die grüne Ministerin ins Visier.
Wiens Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) ist dafür bekannt, politische Auseinandersetzungen außerordentlich stilvoll zu bestreiten. Nicht umsonst gilt er als Sir in der Stadtregierung. Kritik verpackt er gern in sanfte Worte, er ist amikal und hält nichts von parteipolitisch motivierter Kritik ohne Substanz. Umso bemerkenswerter ist somit seine harsche Kritik an der grünen Energieministerin Leonore Gewessler.
„Seit Wochen betreibt die Ministerin politische Kindesweglegung. Auch jetzt erfolgte wieder der Versuch, die Verantwortung an die Energieversorger einfach abzuschieben“, ärgert sich Hanke.
Auslöser des grün-roten Konflikts ist ein ZiB2-Interview mit Gewessler. Angesprochen auf die Tatsache, dass Österreich seinen Gasbedarf weiterhin zu mehr als 90 Prozent mit russischem Gas deckt – obwohl angekündigt wurde, aus russischem Gas auszusteigen –, wies die Ministerin die Verantwortung von sich und machte im Gegenzug (auch) die Landesenergieversorger für den schleppenden Ausstieg verantwortlich: „Die können morgen aufhören, russisches Gas zu kaufen“, meinte Gewessler. „Die können sich nicht auf Langfristverträge (wie bei der OMV, Anm.) ausreden. Das ist ein weiterer Schritt, dass alle ihre Verantwortung übernehmen.“
Gewesslers Kritik dürfte sich vor allem an die rot-pinke Stadtregierung in Wien richten. Denn kein anderes Bundesland hat einen derart hohen Gasbedarf wie Wien. Dabei geht es nicht nur um die 600.000 (meist) Altbauwohnungen mit ihren Gasheizungen. Auch Strom und vor allem die Fernwärmeversorgung im Winter basieren auf dem Energieträger Gas.
„Wir haben Landesenergieversorger, die sind zu 100 Prozent“ im Eigentum eines Bundeslandes, setzte Gewessler im Interview in Richtung Wien nach. Die unterschwellige Botschaft: Die Landesenergieversorger, hier vor allem Wien, würden den Ausstieg aus russischem Gas völlig verschlafen, obwohl sie aussteigen könnten. Und das empört Hanke: „Ein Großteil der Gasimporte erfolgt über den Hauptimporteur OMV.“ Und dieser habe langfristige Verträge mit Russland: „Die Ministerin schiebt hier ihre Verantwortung ab.“ Das sei eindeutig Bundeskompetenz und nicht Aufgabe der Landesversorger.
Die Bundesregierung habe angekündigt, Österreich unabhängiger von russischem Gas zu machen. „Doch seit der Ankündigung kommt nichts mehr“, kritisiert Hanke die grüne Ministerin. Am 6. März sei im Ministerrat eine Reduktion der Abhängigkeit von russischem Gas beschlossen worden – samt einem Ausbau der West-Austria-Gasleitung: „Stattdessen versucht Klimaschutz- und Energieministerin Gewessler, ihre Verantwortung beim Ausstieg aus russischem Gas an die Unternehmen abzuschieben, indem diese verpflichtet werden, ihre Gasquellen zu diversifizieren.“ Nachsatz: „Die Versorgung Österreichs mit Gas ist ganz klar Bundeskompetenz – und jene von Ministerin Gewessler.“
Selbst wenn die heimischen Energieversorger die Gewessler-Forderung umsetzen wollten: „Die Unternehmen, Wien Energie sowie alle anderen Versorger, sind gar nicht aufgestellt, um als Importeur ihren gesamten Bedarf an Gas zu beschaffen“, so Hanke: „Wien Energie bezieht Erdgas ausschließlich über Großhandelsplätze und hat keine direkten Gaslieferverträge mit russischen Unternehmen.“
Ein zentrales Problem bei dem Ausstieg aus russischem Gas ist laut Energieexperten der Einkauf von Gas an den Großhandelsplätzen. Weder in Österreich noch in der EU existiert eine Kennzeichnungspflicht für Gas. Wer den Energieträger an Großhandelsplätzen erwirbt, weiß nicht, woher er stammt. Es könnte sich auch um ursprünglich russisches Gas handeln, das mehrfach verkauft wurde, bis es auf den Großhandelsplätzen gelandet ist.
Die Zukunft ist aber der Gasausstieg in Wien, der bis zum Jahr 2040 abgeschlossen sein soll. Das soll (unter anderem) mit Großwärmepumpen und Geothermie erfolgen.
Hanke plädiert hier für einen behutsamen Ausstieg mit Rücksichtnahme auf die Wirtschaft und den sozialen Aspekt. „Wir haben mit Wien Energie sowohl im Jahr 2022 als auch 2023/24 bereits bedeutende Mengen Gas nicht russischer Herkunft beschafft.“ Größtenteils sei es aus Norwegen kommend für die Fernwärme verwendet worden: „Das entspricht rund einem Drittel des benötigten Gaseinsatzes in der Heizperiode 2023/24. Das sei der jährliche Fernwärmebedarf von 300.000 Haushalten.
Die Versorgung Österreichs mit Gas ist ganz klar Bundeskompetenz – und jene von Ministerin Gewessler. Peter Hanke Wiener Wirtschaftsstadtrat
Die können morgenaufhören, russischesGas zu kaufen. Leonore Gewessler Die Energieministerin kritisiert die Landesenergieversorger.
von Martin Stuhlpfarrer
Die Presse