Viel Lärm um den Verbrennungsmotor

5. Juni 2024

Bundeskanzler Karl Nehammer lud am Montag zum Autogipfel. Er will, dass Österreich an vorderster Stelle gegen das geplante Aus für neue Verbrenner ab 2035 kämpft. Nehammer und die gesamte ÖVP-Spitze pochen auf das Stichwort Technologieoffenheit. Wobei das die EU-Kommission ohnehin nicht infrage stellt.

Im Automobilsektor geht es derzeit Schlag auf Schlag. Die EU-Kommission will schon in wenigen Tagen bekanntgeben, ob sie im Handelskonflikt mit China aufseiten der USA einsteigt und selbst Zölle auf chinesische E-Autos einhebt. Im EU-Wahlkampf tobt eine Debatte darüber, ob das vorgesehene Enddatum für Verbrenner bei Neuwagen nochmals verschoben werden soll. Derzeit ist der Verbrenner-Exit für 2035 geplant. Technologisch tut sich ohnehin laufend etwas. Der neueste Streich kam gerade vom chinesischen Autobauer BYD: Wie die Agentur Bloomberg berichtete, hat BYD ein Hybridauto präsentiert, das ohne Tanken oder Nachladen auf eine Reichweite von 2000 Kilometern kommen soll. Das wäre etwa die Distanz zwischen Wien und Barcelona.

Solche „raschen und disruptiven Prozesse“ sind es, die Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) laut Einladungstext dazu veranlassten, am Montag einen Gipfel zur Zukunft des Automobilsektors einzuberufen. Gekommen sind vor allem bekannte Gesichter wie Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) und der Chefökonom der Industriellenvereinigung, Christian Helmenstein, aber auch Vertreter von Magna und Siemens.

Wenig Konkretes

Konkrete neue Ankündigungen brachte das Treffen nicht. Der Kanzler pochte vor allem darauf, dass die EU technologieoffen bleiben müsse. Österreich solle sich federführend dafür einsetzen, dass bei einer für 2026 geplanten Evaluierung das Verbrennerverbot 2035 fällt. Es dürfe nicht sein, dass die EU „durch Verbote und Überregulierung beginne die Freiheit einzuschränken“, sagte Nehammer. Der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP), der ebenfalls vor einer Wahl steht, stieß ins selbe Horn: „Fortschritt braucht Technologieoffenheit.“ Wirtschaftsminister Kocher brauchte als Beispiel ausgerechnet die Telefonzelle und das Faxgerät: Auch diese habe niemand verboten.

Ob dieses Argument der Verbrenner-Befürworter hilft, sei dahingestellt. Sicher ist, dass die EU-Vorgaben Technologieoffenheit sehr wohl erlauben. In der maßgeblichen Verordnung ist nämlich nur festgelegt, wie sich der CO2-Ausstoß der Neuwagenflotte künftig entwickeln muss. Das Etappenziel für 2035 lautet, dass die Neuwagen und leichte Nutzfahrzeuge ab dann maximal noch halb so viel CO2 emittieren dürfen wie 2021 – wobei es noch eine Ausnahme für E-Fuels, also synthetische Kraftstoffe, gibt. Offen ist lediglich, wie genau diese Ausnahme für E-Fuels umgesetzt wird.

Womit die Fahrzeuge betrieben werden, ist den Autobauern freigestellt. Es muss kein batterieelektrischer Antrieb sein. Wasserstoff wäre etwa zulässig, der klassische Verbrenner nicht. Sicher ist: Die Wende ist nicht aufzuhalten. Der Verkehr ist für rund ein Drittel des weltweiten Energieverbrauchs und rund ein Fünftel der CO2-Emissionen verantwortlich und damit eine der Hauptursachen der Klimakrise. Die Debatte über die Antriebstechnologie der Zukunft wird lange schon differenziert geführt, auch, wenn die Zulassungszahlen für E-Autos derzeit schwächeln. Die Autoindustrie hat sich mittlerweile klar auf das Thema Elektromobilität fokussiert. In Europa wird voraussichtlich bereits 2030 mehr als jeder zweite neue Pkw elektrisch sein.

Was will Österreich nun genau? Auf Nachfrage sagte der Kanzler, es brauche künftig Verbrenner wie auch Elektromotoren. Außerhalb Europas gebe es nirgendwo ein Verbrennerverbot. Der Chefökonom der Industriellenvereinigung verwies vor allem auf das Potenzial von Biokraftstoffen, gerade, weil es nach 2035 das Problem geben werde, dass weiter viele Benziner und Diesel aus Altbestand auf den Straßen unterwegs sein werden. Dem soll mit der genannten Ausnahme für E-Fuels Rechnung getragen werden. Technisch ist Betanken mit E-Fuels laut Experten mit entsprechenden Sensoren, die zeitgerecht entwickelt werden könnten, auch machbar. Die synthetischen Kraftstoffe haben ähnliche Eigenschaften wie konventionelle Treibstoffe. Doch sie sind wenig energieeffizient, zu teuer und würden besser im Schiffs- oder Flugverkehr eingesetzt, sagen Experten. Dazu kommt: Klimaneutral sind sie nur, wenn der Strom komplett aus erneuerbarer Energie und das notwendige CO2 aus der Atmosphäre kommt.

Gefahr für Arbeitsplätze

Das spannendere und vermutlich für Österreichs Zukunft gewichtigere Thema beim Autogipfel war ohnehin eines abseits der Technologieoffenheit. Nämlich: Welche Probleme wird der schnelle Wandel im Automobilsektor bringen? Etwa 40.000 Menschen arbeiten direkt in der Automobilbranche, dazu kommen nochmals mehr als 200.000 in der weitläufigen Zulieferindustrie, die in Graz, Linz und Steyr konzentriert ist. Acht Prozent der industriellen Wertschöpfung finden im Automobilsektor statt. Eine Studie des Ifo-Instituts geht davon aus, dass ein Drittel der Arbeitsplätze wegfallen könnte, wenn die Elektrifizierung voranschreitet. Elektroautos brauchen weniger und andere Teile. Das Problem aus heimischer Sicht: Rund die Hälfte der Komponenten der Zulieferindustrie werden im Bereich Motoren und Getriebe erzeugt, spezifisch für die Verbrennungstechnologie.

Was also sollte geschehen, um die Jobs in Österreich zu schützen? Hier gab es den Aufruf, dass die EU eine Regulierungspause einlegen sollte. Die EU-Kommission müsse in Anlehnung an den Green Deal für den Klimaschutz nach der Wahl zum Europaparlament einen Deal für den Wirtschaftsstandort auflegen, so Nehammer. Wie dieser aussehen kann, skizzierte er nicht.

Wenig Spielraum

Ökonom Helmenstein hatte auch eine gute Nachricht parat: Österreichs Autobauer seien führend bei Patenten im Bereich alternativer Antriebstechnologien.

Und was sagen außenstehende Experten zum Gipfel? Alles nur Show? Der Ökonom Klaus Friesenbichler vom Forschungsinstitut Wifo sagt, dass oberste Priorität der Politik sein sollte, die gleichen Wettbewerbsbedingungen wie für Automobilhersteller in China herzustellen. Zwar subventionieren alle großen Länder ihre Autoproduktion, China habe das aber zuletzt exzessiver getan als Europa. Hier einen Ausgleich zu schaffen, etwa über Zölle oder im Wege einer Verhandlungslösung mit China, ist aber Aufgabe der EU. Was kann also die heimische Politik tun? Den Übergang in der Automobilindustrie begleiten, sagt Friesenbichler, etwa indem regionale Konzepte dafür erarbeitet werden, wie es mit der Wirtschaft weitergeht, wenn weniger Autoteile gebaut werden.

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