Söldner wollen ihr Wasser behalten

11. Juni 2024, Tirol

Die Tiwag hat ihre Pläne zu Wasserableitungen aus Ötztaler Bächen zwar Anfang der Woche auf Eis gelegt. In Sölden setzten die Bürger dennoch ein Zeichen: 96,2 Prozent stimmten gegen Entnahmen Ernst Schöpf ÖVP-Bürgermeister Sölden

Mit 468 km² ist Sölden im hinteren Ötztal die flächenmäßig größte Gemeinde Österreichs. Hier entspringen die Gebirgsbäche Gurgler und Venter Ache und vereinen sich zur Ötztaler Ache. Der Tiroler Landesenergieversorger Tiwag verfolgt seit Jahren Pläne, diese wilden Wasser zur Stromerzeugung zu nutzen. Und zwar mit Ableitungen ins 34 Kilometer entfernte Kaunertal, wo ein Mega-Ausbau des bestehenden Kraftwerks geplant ist.

Die Bürger von Sölden haben am Sonntag in einer parallel zur EU-Wahl abgehaltenen Volksbefragung eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht, was sie davon halten, sollte „Wasser aus Gewässern im Gemeindegebiet der Gemeinde Sölden zum Speicher Gepatsch im Kaunertal übergeleitet werden“.

Genau das war bisher der Plan der Tiwag – zumindest bis zu einer bemerkenswerten Kehrtwende Anfang der Woche. Wurde das Wasser aus dem Ötztal in den vergangenen Jahren stets als absolute Notwendigkeit für den mit rund zwei Milliarden Euro veranschlagten Ausbau des Kraftwerks Kaunertal dargestellt, kündigte das Unternehmen am Dienstag an, auf die Ableitungen zu verzichten – zumindest vorerst.

Klares Signal

Dass die Pläne in Zukunft wieder reaktiviert werden könnten, hält Söldens ÖVP-Bürgermeister Ernst Schöpf für „blanke Utopie“. Seine Gemeinde hat bei der Volksbefragung am Sonntag nämlich ein klares Signal gesendet. 96,2 Prozent der Teilnehmer – 59,4 Prozent von etwa 2.500 Wahlberechtigten – sprachen sich gegen den Entzug von Wasser aus ihrem Tal aus, das als eines der niederschlagsärmsten Tirols gilt.

„60 Prozent sind heutzutage nicht schlecht“, sagt Schöpf zur Wahlbeteiligung, die auch unter dem Aspekt des Tiwag-Umschwungs wenige Tage vor der Befragung zu lesen sind. Mit dem Ergebnis an sich „sind wir nicht unzufrieden“, sagt er.

Die Gemeinde hatte jahrelang einen erbitterten Rechtsstreit gegen die Tiwag um die Nutzung des Ötztaler Wassers geführt und war 2022 unterlegen. „Wir waren nie gegen eine energetische Nutzung im Tal“, betont Schöpf. Die Gemeinde hatte eigene Pläne, um das Wasser im Tal abzuarbeiten und dann wieder in das Bächesystem einzuleiten.

Windräder im Skigebiet

Aus Sicht des Bürgermeisters ist es auch klar, dass die Produktion von erneuerbaren Energien ausgebaut werden muss. Dazu müsse die Photovoltaik forciert werden. Der ÖVP-Langzeitbürgermeister kann sich aber auch Windräder im Skigebiet vorstellen, hatte er im KURIER vor einigen Tagen erklärt. Man könne „mit den Ötztalern über alles reden“. Das eigene Wasser müsse aber im Tal bleiben.

Den Meinungsumschwung bei der Tiwag soll ÖVP-Landeshauptmann Anton Mattle eingeleitet haben, für dessen Partei in der Vergangenheit das Ausbauprojekt des Landesenergieversorgers in Stein gemeißelt waren. Die Widerstände im Ötztal gehen inzwischen aber quer durch die ÖVP-Klientel. Sie reichen von den Landwirten über die ÖVP-geführten Gemeinden im Tal bis zu den Touristikern in der Region.

An der ebenfalls – nicht nur bei Naturschützern – höchst umstrittenen Flutung des Platzertals zur Errichtung eines neuen Speichersees und einem damit verbundenen Pumpspeicherkraftwerk wollen aber Tiwag wie auch der Landeshauptmann festhalten.

„60 Prozent Wahlbeteiligung sind heutzutage nicht schlecht. Mit dem Ergebnis sind wir nicht unzufrieden“
Ernst Schöpf ÖVP-Bürgermeister Sölden

Wasserstreit

Begehrlichkeit

Für den geplanten Ausbau des Kraftwerks Kaunertal wollte der Landesenergieversorger Tiwag bis zu 80 Prozent des Wassers aus der Venter und Gurgler Ache im 34 Kilometer entfernten Ötztal – einem der niederschlagsärmsten Täler Tirols – ableiten. Am Montag wurden die Pläne auf Eis gelegt

Widerstand

Die Gemeinde Sölden führte über Jahre einen Rechtsstreit gegen die Tiwag um die Nutzung des Ötztaler Wassers, der 2022 verloren ging. Am Sonntag wurden die Bürger von Sölden zu den Ableitungen befragt

Kurier

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