Analyse. Nach monatelangem Ringen hat die SPÖ das Biogas-Gesetz blockiert – und damit jede Glaubwürdigkeit verloren, die Abkehr von Russen-Gas ernst zu meinen.
Seit Februar liegt das Gesetz im Wirtschaftsausschuss, Zustimmung hat es dort seither von den beiden Regierungsparteien, ÖVP und Grüne, sowie den Neos erhalten, doch die SPÖ ließ bis zuletzt offen, ob sie dem Biogas-Gesetz zustimmen will. Das Ziel: russisches Gas raus, klimafreundliches inländisches Gas rein. Gespießt hat es sich aber bis zuletzt bei der Frage, wer für etwaige Mehrkosten aufkommt und woraus das Grün-Gas erzeugt wird.
In zweierlei Hinsicht ist das rote Nein nun paradox. Einerseits pocht Klimasprecherin Julia Herr (SPÖ) vehement auf das fehlende Klimaschutzgesetz der Regierung. Bei einzelnen Gesetzen, die den Klimaschutz vorantreiben sollen, zuletzt etwa auch beim Energieeffizienzgesetz, verweigert die Partei aber die Zustimmung. Als Argument werden meist die Kosten genannt. Vor allem aber erweckt man damit den Eindruck, beim Gasausstieg zu bremsen, sobald es konkret wird.
Zweitens ist das rote Argument, dass man verhindern wolle, Lebensmittel zu Biogas zu vergären, im Endeffekt gar keines. Das SPÖ-Nein verhindert vielmehr, diesem Umstand künftig ein Ende zu bereiten. Der Gesetzesentwurf sieht vor, den Anteil an Getreide, Mais und Feldfrüchten, der für die Erzeugung verwendet werden darf, schrittweise zu reduzieren. Bei neuen Anlagen wäre das ab sofort gar nicht mehr erlaubt, bei bestehenden ab 2035 nicht mehr. Bis dato gibt es dafür keine Deadlines.
Biogas-Branche erzürnt
Das bedeutet entweder, dass die Roten das Gesetz nicht im Detail studiert haben oder dass sie Scheinargumente liefern. ÖVP und Grüne beschweren sich, dass die SPÖ nie wirklich ernsthaft verhandelt habe. Und dass das daran liegen könnte, dass vor allem die Wien Energie keine große Lust hat, ihren Anteil an billigem Gas aus Russland zu verringern. Wir erinnern uns: Ein großer Anteil des Energieverbrauchs in Wien wird von Gas gedeckt. Und: Vom Biogas-Gesetz profitieren vor allem Bauern, die ihre Abfälle zu Grün-Gas umwandeln – nicht unbedingt das Kernklientel von Andreas Babler.
Ob Kalkül oder fehlendes Detailwissen: Die Branche ist jedenfalls sauer. Bereits geplante Investitionen werden nun, wie im Fall der Münzer Bioindustrie, die im Ölhafen Lobau die größte Biodiesel-Produktion des Landes betreibt, abgesagt. Die Firma wird bis zu 150 Mio. Euro nun doch nicht investieren. „Wenn der Gaspreis steigt, muss das die SPÖ den Bürgern erklären“, schreibt sie in einer Reaktion. Der Aufschub des Gesetzes könnte damit am Ende gerade jene umso mehr kosten, die die SPÖ vorgibt, schützen zu wollen.
von Julia Wenzel
Die Presse