Gemeinden stehen unter Strom

15. Juli 2024, Innsbruck

Das Strompaket von 200 Kommunen mit der Tiwag steht auf dem Prüfstand. Direktvergabe von Kirchberg war nämlich nicht zulässig, der Schwellenwert von 100.000 Euro wurde überschritten.

Rund 200 der 277 Tiroler Gemeinden und ihre kommunalen Gesellschaften haben Verträge mit der Tiwag. Mit einem jährlichen Jahresverbrauch von 100 Millionen Kilowattstunden sind sie ein wichtiger Kunde des Tiroler Landesenergieversorgers. Ausverhandelt wurden die Tarifverträge über das im Vorjahr in Konkurs gegangene Dienstleistungsunternehmen Gem-Nova und zuletzt vom Gemeindeverband selbst. Auf Druck der Politik hat die Tiwag das Strompaket für die Gemeinden in den vergangenen eineinhalb Jahren mehrmals nachgebessert. Doch die Pauschalangebote sind jetzt ins Visier des Landesverwaltungsgerichts geraten. Anlassfall ist die Gemeinde Kirchberg.

200 Gemeinden bei Tiwag

Obwohl das Bundesvergabegesetz vorsieht, dass Leistungen über 100.000 Euro nicht direkt vergeben werden dürften, ist das vielfach erfolgt. Auch in Kirchberg. Denn das Auftragsvolumen für den ursprünglich mit der Tiwag auf drei Jahre abgeschlossenen Stromliefervertrag betrug bei einem Tarif von 19,1 Cent pro Kilowattstunde 1,4 Millionen Euro. Zwischenzeitlich gibt es bereits wieder einen neuen Vertrag, aber nach demselben Muster. Im heurigen Frühjahr haben zwei Drittel der Tiroler Gemeinden einen Vertrag mit der Tiwag über weniger als 10 Cent pro Kilowattstunde abgeschlossen.

Doch zurück zum 19-Cent-Tarif. Gegen die Direktvergabe hat ein Wiener Stromanbieter beim Landesverwaltungsgericht geklagt und ein Feststellungsverfahren beantragt. Zuvor hatte bereits der Kirchberger NEOS-Gemeinderat Florian Huter eine Beschwerde bei der Gemeindeaufsicht eingebracht, die jedoch zurückgewiesen wurde.

Beim Landesverwaltungsgericht war man hingegen erfolgreich. Die NEOS haben das Verfahren finanziert, im aktuell vorliegenden Erkenntnis heißt es, dass die Direktvergabe des Stromliefervertrags rechtswidrig gewesen sei. Die Gemeinde muss deshalb eine Geldstrafe von 20.000 Euro zahlen. „Der Auftrag hätte nicht einfach an den Landesenergieversorger Tiwag vergeben werden dürfen. Den SteuerzahlerInnen ist dadurch ein enormer Schaden entstanden, denn die Tiwag ist für die Gemeinden bei Weitem nicht der günstigste Anbieter am Markt“, führt NEOS-Klubchef Dominik Oberhofer aus.

Der Wiener Energieanbieter argumentierte damit, wenn er von dem Auftrag gewusst hätte, wäre auch von ihm ein deutlich günstigeres Angebot abgegeben worden.

Der Imster Rechtsanwalt Markus Moser, der die „Spotty Smart Energy Partner“ als Antragsteller vor dem Landesverwaltungsgericht vertreten hat, erwirkte die Entscheidung. Das Erkenntnis sei „völlig logisch, zumal jede einzelne Gemeinde dem Bundesvergabegesetz unterliegt“, betont er. Und das Bundesvergabegesetz regle ganz klar, dass eine Gemeinde bei Lieferverträgen ab einer Schwelle von 100.000 Euro zwingend ein Vergabeverfahren einleiten muss. „Es ist nicht möglich, ab dieser Schwelle ohne ein Verfahren einen Auftrag direkt zu vergeben, wie in diesem Fall an die Tiwag. Welches Vergabeverfahren zu wählen ist, hängt von der zu erwartenden Auftragssumme ab.“ Wie wirkt sich die (nicht rechtskräftige) Entscheidung auf die anderen Tiroler Gemeinden und deren Tiwag-Verträge aus? Für die Stromverträge aus der Vergangenheit wird es in der Praxis keine Auswirkungen haben, weil die Fristen, dagegen vorzugehen, wohl verstrichen sind, so Moser.

Folgt jetzt Dominoeffekt?

Möglich sei aber, dass sich das Erkenntnis auf die heuer im Frühjahr abgeschlossenen Verträge der Gemeinden mit der Tiwag auswirkt, so der Rechtsanwalt. „Das ist denkbar, wobei ich diese neuen Verträge nicht kenne“, äußert sich Moser dazu vorsichtig: „Wenn eine Gemeinde mit ihrem Jahresverbrauch über der Vergabeschwelle liegt und kein Vergabeverfahren durchgeführt hat, kann man aber davon ausgehen, dass der eine oder andere Vertrag nichtig ist.“
In den nächsten Tagen dürfte es in den Gemeindestuben wohl viele Diskussionen geben. Denn bei Direktvergaben besteht die Gefahr einer Anfechtung. Möglicherweise müssen viele Stromlieferverträge neu ausgeschrieben werden. Die im Frühjahr mit der Tiwag vereinbarten Tarife mit weniger als zehn Cent/Kilowattstunde dürften allerdings wohl zu den günstigen zählen. Nur die Direktvergaben der Gemeinden sind nicht zulässig.

„Die Tiwag war für die Gemeinden im Vorjahr bei Weitem nicht der günstigste Anbieter am Markt.“
Dominik Oberhofer/NEOS (Klubchef)

„Bei Lieferverträgen ab 100.000 Euro muss jede Gemeinde zwingend ein Vergabeverfahren einleiten.“
Markus Moser (Rechtsanwalt)

Tiroler Tageszeitung

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