Die SPÖ, die Partei der Ausreden

17. Juli 2024

Erneuerbares Gas. Wenn die ÖVP die „Hure der Reichen“ ist, was ist dann die SPÖ? Sie hat gegen das EGG gestimmt.

Manchmal fehlen der deutschen Sprache die richtigen Worte. Zum Beispiel für das Abstimmungsverhalten der SPÖ beim EGG (Erneuerbares-Gas-Gesetz) in der letzten Nationalratssitzung: Es wäre das bis dato ökologischste und sozialste Energieausbaugesetz geworden, weil erstmals jene, die Energie verbrauchen, auch deren Ausbau bezahlt hätten. Der Anteil der Haushalte am heimischen Gasverbrauch beträgt nur ca. 20% – Tendenz sinkend. Entsprechend gering wären die Kosten für Privatkunden gewesen. Dennoch hat die SPÖ dagegen gestimmt und damit ihre eigenen Forderungen, wie Klimapolitik gemacht werden soll – keine Förderungen, die zu verkehrter Umverteilung führen, sondern Grenzen und Pflichten, die für alle gelten–, missachtet.

Man könnte meinen, die SPÖ ist die Hure der Gaslobby. Immerhin hat sie den Gaslobbyisten Marc Hall zum obersten Berater gemacht. Doch so einfach ist es nicht. Selbst Teile der Gaswirtschaft haben sich für das Gesetz ausgesprochen. Die Austrian Gas Grid Management AG ist das prominenteste Beispiel.

Dagegen war Wien Energie

Hauptgegnerin des EGG war die Wien Energie. Die hätte zwar gerne viel grünes Gas, um klimaneutral zu werden, aber sie will es nicht bezahlen. Denn die Erzeugungskosten von grünem Gas sind wesentlich höher als der Strompreis. Auch wenn die Gaskraftwerke nur in der stärksten Winterzeit laufen, geht das Geschäftsmodell der Wien Energie unmöglich auf. Am liebsten wäre ihr, der Staat oder die Privathaushalte würden ihr das grüne Gas zahlen.

Das kann man als SPÖ natürlich nicht laut sagen. Stattdessen redet man von angeblichen Übergewinnen der Biogaserzeuger, weil sich alle an den Preisen der teuersten Anlagen orientieren werden. Tatsache ist aber, dass der Grüngaspreis im EGG mit 15ct/kWh gedeckelt wäre, das ist knapp über den Erzeugungskosten für Gas aus biogenen Quellen wie Biomüll, Ernterückständen etc. Von Übergewinnen kann da keine Rede sein. Technische Quellen wie Power-to-Gas sind teurer und daher de facto ausgeschlossen.

Es gibt nur eine einzige Quelle, aus der grünes Gas deutlich billiger ist: Klärgas. Man kann natürlich auf dem Standpunkt stehen, dass das EGG zu Übergewinnen bei den kommunalen Kläranlagen geführt hätte. Aber wenn die ohnehin von Geldsorgen geplagten Gemeinden Spielraum bekommen hätten, die Kanalgebühren zu senken – für wen wäre das ein Problem gewesen?

Oder man behauptet, durch das Gesetz würden „Nahrungsmittel verheizt”. Das war, selbst wenn man Schweinefutter als Nahrungsmittel zählt, schon im ursprünglichen Entwurf nur sehr eingeschränkt möglich. Nach letztem Verhandlungsvorschlag hätten sogar bereits bestehende Biogasanlagen – die tatsächlich teilweise Futterpflanzen verarbeiten – auf minderwertige Rohstoffe umstellen müssen. Eine Zustimmung hätte also die Nahrungskonkurrenz sogar verringert.

Die SPÖ, die Partei der Ausreden, die nicht weiß, was sie will. Eine Partei, die so zwischen Einzelinteressen gefangen ist, kann nichts zu den strukturellen Reformen beitragen, die notwendig sind, um die multiplen Krisen zu lösen. Möchte die SPÖ ihre Glaubwürdigkeit im Klimaschutz zurückbekommen, dann muss Andreas Babler die Handlungsfähigkeit der Partei wiederherstellen, indem er programmatische Grundsätze gegen Einzelinteressen durchsetzt.

Harald Geyer ist Physiker und Energieexperte. In seiner Freizeit unterstützt er Fridays for Future. Laila Kriechbaum studiert Umwelt- und Bioressourcenmanagement und ist Aktivistin bei Fridays for Future.

von Harald Geyer und Laila Kriechbaum

Die Presse