EVN will unser Energiesystem umbauen „Kein Feuer im Sommer“

7. August 2024

Konkret sollen etwa Biomasse und Biogas gezielt nur mehr im Winter eingesetzt werden. Die NÖN hat das Ideenbündel des Energieversorgers geprüft und erklärt, wie auch private Photovoltaik-Betreiber davon profitieren könnten.

„Kein Feuer im Sommer“: Hinter dem Slogan der Energievision des niederösterreichischen Landesenergieversorgers EVN, die der NÖN vorliegt, steckt kein Verbot von romantischen Lagerfeuern an lauen Sommerabenden. Es ist ein Plädoyer an Politik und Gesellschaft, die heimische Biomasse – also Pellets, Stückholz und Co. – und Biogas für die energieintensiven Wintermonate aufzusparen. „Unsere Energievision zielt darauf ab, ein kostengünstiges und sicheres erneuerbares Energiesystem für Niederösterreich zu entwickeln“, erklärt Stefan Szyszkowitz, Vorstandssprecher der EVN, im Gespräch mit der NÖN. „Wir setzen dabei auf intelligente Sektorkopplung und effiziente Ressourcennutzung.“

Zwei Drittel unserer Energie sind nach wie vor fossil
Wo stehen wir in Sachen Energiewende? Der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung schreitet voran. Was unseren Endenergieverbrauch anbelangt – also die Energie, die bei uns ankommt und genutzt wird – stammt jedoch erst ein Drittel der Energie aus Wind, Sonne und Co. Den Rest decken fossile Energieträger. Aus denen will sich Österreich mit den gesteckten Klimazielen „befreien“. Aus Sicht der EVN ist Österreichs angestrebte Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 nur mehr „mit extrem hoher Ambition“ noch vorstellbar. „Selbst 2050 erfordert ein rasches und ehrgeiziges Handeln“, heißt es. Es würde bedeuten, dass ab 2025 kein Dieselauto mehr verkauft werden dürfte.
Was die grüne Energieversorgung angeht, lösen die Erneuerbaren allein das grundlegende „Sommer-Winter-Problem“ nicht: Es gibt zwar viel Ökostrom im Sommer, aber zu wenig im Winter. In den sonnenreichen Monaten wird weniger Strom auf der Netz-Niederspannungsebene abgefragt. Gleichzeitig erzeugen über 120.000 NÖ-Photovoltaikanlagen stetig wachsende und hohe Stromüberschüsse, wie die NÖN-Grafik zeigt. Diese müssen oft mit hohen Kosten abtransportiert und entsorgt werden. „Überschuss-Strom aus Wind und Sonne im Sommer zur Warmwasserbereitung einzusetzen, ist Teil einer guten Lösung“, erläutert EVN-Vorstand Stefan Stallinger. So könne man die Versorgungssicherheit erhöhen und gleichzeitig die Kosten senken. Die EVN sieht den Schlüssel für Österreichs und Europas Energiezukunft in der Sektorkopplung. Das heißt, dass Bereiche wie Stromversorgung, Heizung/Kühlung, Verkehr/Transport und Industrieprozesse in Sachen Energienutzung zusammengedacht und miteinander intelligent verbunden werden, auch um kurzfristige Spitzen auszugleichen.


Appell an Bund: Rasch beginnen!
Treiber für die Sektorkopplung ist auch der Klimaschutz. Um weniger CO2 auszustoßen, soll überall mehr erneuerbare Energie genutzt werden, vor allem Strom aus Wind und Sonne. Wenn Autos mit Strom statt Benzin fahren, wenn Gebäude mit Wärmepumpe statt mit Öl oder Gas geheizt werden oder wenn überschüssiger Ökostrom in andere Energieformen wie Wasserstoff oder Biomethan umgewandelt und in Gasspeichern gelagert wird, dann trägt das zur Dekarbonisierung bei.


Um diese Energievision zu realisieren, brauche es vor allem Zeit und Flexibilität, heißt es von den EVN-Vorständen. Dogmen seien tabu, auch in Sachen Technologie. Entscheidend für das Ideen- und Maßnahmenbündel wäre „rasch zu beginnen“, so die EVN in Richtung der nächsten Bundesregierung.


Neben der Kernforderung „Kein Feuer im Sommer“ und der Sektorintegration will die EVN „lokale Energie lokal nutzen“, um hohe Transportkosten und Verluste zu vermeiden. Dafür sei eine Leistungsbegrenzung bei PV-Anlagen auf den Netzebenen 6/7 nötig, aber auch lokale flexible Verbraucher, Batteriespeicher, neue dynamische Netz- und Energietarife und entsprechende Förderungen für Private, Gemeinden und Co. „Das reduziert Investitionskosten für den Netzausbau und trägt zu einem stabileren Stromnetz bei“, heißt es von der EVN. Windkraft und PV-Anlagen sollten künftig mehr „im Duett laufen“, weil sie sich gut ergänzen würden und denselben Netzanschluss nutzen. Windenergie liefert etwa 60 Prozent des Ertrags im Winter, was dem Bedarf im Winterhalbjahr entspricht.


Lichtblick für private PV-Anlagenbetreiber
Private Photovoltaik-Betreiberinnen und -Betreiber erhalten drei bis fünf Cent pro eingespeister Kilowattstunde, die Tendenz ist sinkend. Zu Hoch-Zeiten in der Krise waren es bis zu 50 Cent. Nicht nur aus Autarkie- und Blackout-Gedanken heraus macht eine Maximierung der Eigennutzung Sinn – für die eigene Geldbörse und zur Entlastung des Netzes. Da werden die Installation von Stromspeichern, Heizstäben und üppigen Warmwasserspeichern samt intelligenter Energiemanagementsysteme für PV-Haushalte interessanter. Speziell für jene, die (zu) groß dimensionierte PV-Anlagen installiert haben.

NORBERT OBERNDORFER

EVN