Die EVN hat aufgrund einer Indexklausel im Vertrag die Strom- und Gaspreise erhöht – ohne „Vorwarnung“ für die betroffenen Kunden. Laut einem rechtskräftigen Urteil ist das gesetzwidrig und unwirksam.
Wegen der Preissteigerungen bei Energie laufen mehrere Sammelaktionen von Verbraucherschützern. Unter anderem geht es dabei um indexgebundene Tarife der EVN.
Laut dem Verbraucherschutzverein (VSV) kam es seit Herbst 2022 zu Preissteigerungen von bis zu 500Prozent. Die Kunden seien dabei über die Erhöhungen nicht informiert worden. Und es seien auch die Teilzahlungsbeträge nicht angepasst worden.
Diese Kunden seien nun mit „horrenden Nachzahlungen, oft mehreren Tausend Euro, konfrontiert, auf die sie nicht vorbereitet waren“, so der VSV in einer Aussendung.
In einem solchen Fall liegt nun ein rechtskräftiges, zweitinstanzliches Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt (LG) vor. Demnach muss eine Verbraucherin die von der EVN in den Schlussrechnungen für Gas und Strom vorgeschriebenen Beträge nicht bezahlen (18 R 88/24f-4). Die Forderung des Energieversorgers sei nicht berechtigt, entschied das Gericht. Es geht dabei immerhin um fast 900 Euro bei Gas und 569 Euro bei Strom.
Was sind die Gründe dafür, und für welche EVN-Kunden könnte das noch gelten? Die EVN stützte die Preiserhöhungen auf eine Vertragsklausel für den „Optima Flex“-Tarif, wonach die Preise jährlich nach dem Gas- bzw. Strompreisindex angepasst werden. Die Kundin war jedoch nicht vorab über die Preiserhöhungen verständigt worden. Das verstoße gegen die Regeln des Gaswirtschaftsgesetzes und des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes (§125 Abs 2 GWG und §80 Abs 2a ElWOG) und sei daher unwirksam, heißt es in dem Urteil. Diese Bestimmungen verpflichten Energielieferanten dazu, ihre Kundinnen und Kunden schriftlich über Preiserhöhungen zu informieren.
Muss man Info anfordern?
Die EVN hatte sich in dem Verfahren unter anderem darauf berufen, dass die angeführten Gesetzesbestimmungen hier nicht anwendbar seien, da die jährliche Preisanpassung vertraglich vereinbart worden sei.
Es habe daher keine gesetzliche Informationspflicht bestanden. Und von der laut „Informations- und Preisblatt“ vorgesehenen Möglichkeit, bei Preisanpassungen Vorabinformationen per E-Mail oder SMS anzufordern, habe die Kundin keinen Gebrauch gemacht.
Das Gericht erster Instanz hatte die EVN im Recht gesehen, das LG entschied jedoch zugunsten der Kundin. Im Gegensatz zu sogenannten Floating-Tarifen, bei denen der Tarif unmittelbar an einen Börsenpreis gekoppelt ist und ohne weiteres Zutun der Vertragsparteien „gleitet“, handle es sich hier um einen Fixtarif. Diesen habe die EVN nach dem Ablauf des ersten Jahres aktiv erhöht.
Und es gehe dabei auch nicht um eine bloße Wertsicherung im Sinne einer Inflationsabgeltung, die den Preis an die Geldentwertung anpasst, sodass er real gleich bleibt. Sondern um eine Anpassung an geänderte Marktpreise – und damit um eine echte Änderung des Entgelts, die den entsprechenden gesetzlichen Regelungen unterliegt.
Die Informations- und Transparenzpflichten der Energieversorger sollen die Entscheidungsfreiheit der Kunden darüber gewährleisten, ob und zu welchen Bedingungen sie einen Versorgungsvertrag abschließen und wann sie ihn wieder beenden, heißt es sinngemäß in der Entscheidung. Und dass die Kundin von ihrer Wahlmöglichkeit, Informationen per Mail oder SMS zu erhalten, keinen Gebrauch gemacht hat, bedeute nicht, dass sie damit stillschweigend auf die Vorabinfo verzichtet habe.
EVN bleibt bei ihrer Position
Der niederösterreichische Energieversorger EVN sieht hier das letzte Wort noch nicht gesprochen. „Es gibt bereits mehrere erstinstanzliche Urteile und ein OGH-Urteil, die unsere Position bestätigen. Dieses Berufungsurteil weicht gänzlich von diesen Entscheidungen ab“, so der Landesenergieversorger zur APA. Er kündigte an, die vom LG hier vertretene Rechtsansicht bekämpfen zu wollen. In diesem konkreten Fall sei allerdings aufgrund des zu geringen Streitwerts ein weiterer Rechtszug nicht möglich.
Der VSV betont indes, die Verbraucherin habe „im Ergebnis zu 100Prozent recht bekommen“, und wirbt um Teilnehmer für seine Sammelaktion. Aus Sicht der Verbraucherschützer hätten nun auch weitere betroffene EVN-Kunden die Möglichkeit, Erhöhungsbeträge zurückzufordern.
Von Christine Kary
Die Presse