Der ukrainische Vorstoß in die russische Region Kursk hat einen Nebeneffekt: In der Stadt Sudscha befindet sich eine wichtige Gasübergabestation, Unsicherheiten ließen die Gaspreise nun signifikant steigen.

16. August 2024

Vor einer guten Woche hat der überraschende Vorstoß ukrainischer Soldaten in die russische Grenzregion Kursk begonnen. Nach eigenen Angaben kontrolliert die ukrainische Armee nun ein Gebiet von etwa 1000 Quadratkilometern. Zum Vergleich: Das entspricht mehr als der doppelten Fläche von Wien. Während auf der einen Seite die Kämpfe weitergehen und russische Einwohner und Einwohnerinnen aus der Region evakuiert werden, schlagen sich die jüngsten Ereignisse auch in den Gaspreisen nieder. 

Denn, nicht unbrisant: Es finden auch Kampfhandlungen in der Nähe des wichtigen Gasübergabepunkts in Sudscha statt. Dieser spielt für den russischen Gastransit durch die Ukraine eine bedeutende Rolle – denn unabhängig vom Krieg fließt weiterhin viel russisches Gas durch die Ukraine Richtung Westen. Nun hat die Unsicherheit, ob wichtige Infrastruktur zerstört wird oder die russische Gazprom den Export infolgedessen einstellt, die Preise in den vergangenen Tagen um rund zehn Prozent in die Höhe schnellen lassen. Aktuell kostet eine Megawattstunde zwischen 39 und 40 Euro – ein Höchstwert, der zuletzt im vergangenen Dezember erreicht wurde.

Gashahn und Geldhahn

Beide Seiten hätten jedoch kein Interesse daran, dass der Gasfluss unterbrochen werde, erklären Insider laut Bloomberg. Denn mit dem Gashahn würde auch der Geldhahn für beide Parteien zugedreht – die Ukraine profitiert von den Transitgebühren, Russland vom Verkauf seines Rohstoffs nach Europa.

Doch wie wichtig ist dieser Übergabepunkt eigentlich für die Versorgung europäischer Länder mit russischem Gas? Christoph Dolna-Gruber von der Österreichischen Energieagentur ordnet ein: Die Ukraine sei nicht der einzige Weg. Nachdem der Gastransport über die Jamal-Pipeline durch Belarus und Polen im Jahr 2022 eingestellt und auch die Nordstream-Pipeline in der Ostsee zerstört wurde, gibt es noch die im Süden verlaufende Turkstream. 

Was den Transit über die Ukraine betrifft, handelt es sich jedoch bei Sudscha um den einzig Übergabepunkt. Konkret wird hier gemessen und geplant, wie viel Gas Richtung Europa fließt. In den letzten Tagen sei es zu Schwankungen in der durchgeleiteten Menge gekommen. Diese bewegten sich aber im normalen Bereich, erklärt Dolna-Gruber. Erklärbar seien sie durch schwankende Buchungen und Preisentwicklungen. Für Letztere seien aber nicht nur mögliche Konsequenzen der Kämpfe ausschlaggebend, auch Spekulation spiele eine Rolle. Laut Dolna-Gruber aber gilt für den Gasmarkt in den vergangenen Jahren generell: „Nervosität und Volatilität sind die einzigen Konstanten.“

Gasspeicher gut gefüllt

Bezüglich der aktuellen Versorgungssituation in Österreich ist der Experte angesichts der jüngsten Entwicklungen nicht allzu beunruhigt. Denn die Gasspeicher hierzulande seien zum jetzigen Zeitpunkt sehr gut gefüllt. Hinzu kommt, dass der heimische Verbrauch heuer im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2022 um 23 Prozent niedriger ist.

Dieser Befund ist allerdings ein kurzfristiger. Denn unklar ist, wie lange russisches Gas überhaupt noch nach Europa und nach Österreich fließen wird. Schon mehrmals hat das ukrainische Energieministerium betont, dass die Ukraine den Vertrag über den Gastransit mit Russland über das Jahr 2024 hinaus nicht verlängern werde. Das Auslaufen des Transitvertrags bedeute aber nicht, dass gar kein Gas in dieser Pipeline mehr fließe. Unternehmen anderer Länder könnten die Infrastruktur nutzen und russisches Gas weiterhin nach Europa importieren, erklärt Dolna-Gruber. Beispielsweise gebe es diesbezüglich von der Slowakei Bestrebungen, denn diese sei auch stark von russischem Gas abhängig. Das Risiko für Lieferunterbrechungen bleibt damit aber. 

Die österreichische Gasstrategie sieht jedenfalls vor, dass der Bezug von russischem Gas durch die heimischen Energielieferanten stufenweise reduziert wird. Ab dem Gaswirtschaftsjahr 2027/28 soll der Bedarf dann ausschließlich mit nichtrussischen Quellen gedeckt werden.

Der Standard