Der angeschlagene deutsche Batteriekonzern Varta hat sich am Wochenende mit Finanzgläubigern und Investoren auf ein Sanierungskonzept geeinigt. Kernaspekte sind unter anderem ein Schuldenschnitt und frisches Geld vom Großkunden Porsche AG. Altaktionäre sollen hingegen aus dem Konzern gedrängt werden. An der Börse kam der drohende Totalverlust für die Aktionäre nicht gut an. Die Aktien des Batteriekonzerns brachen am Montag bis auf 0,76 Euro ein.
Zuletzt notierten die Papiere mit 1,55 Euro noch rund 60 Prozent im Minus. Ein Sprecher sagte am Sonntag, alles müsse nun dokumentiert und beim Gericht eingereicht werden. Zuvor müssen die Gremien der beteiligten Parteien zustimmen und das deutsche Bundeskartellamt grünes Licht geben. Der Prozess könnte sich über Wochen und Monate ziehen, sagte der Sprecher.
Läuft alles wie geplant, soll das Sanierungskonzept den Angaben nach die Finanzierung der Varta AG bis zum Ende des Jahres 2027 sicherstellen. Das Unternehmen aus Ellwangen sprach von einem „bedeutenden Meilenstein“. Das Konzept werde den Konzern „wesentlich entschulden und mit frischer Liquidität ausstatten“.
Zunächst sollen ein Schuldenschnitt und die Verlängerung von Krediten die bisherigen Verbindlichkeiten von fast einer halben Milliarde Euro auf 200 Mio. Euro verringern. Dann soll das Grundkapital der Varta AG auf null Euro herabgesetzt werden. Der Effekt: Die derzeitigen Aktionäre scheiden kompensationslos aus und der Konzern verliert seine Börsennotierung.
Die Angst vor einem Totalausfall hatte den Aktienkurs bereits im Juli abstürzen lassen. Von gut 10 Euro war es binnen weniger Tage auf weniger als 1,50 Euro nach unten gegangen. Eine vage Hoffnung, dass es vielleicht doch nicht so schlimm kommen wird, hatte zuletzt dann für eine kleine Erholung gesorgt. Damit ist es nun aber vorbei.
Varta war 2017 für 17,50 Euro je Aktie an die Börse gebracht worden und war lange Zeit gefragt. Anfang 2021 war der Kurs – auch wegen des boomenden Geschäfts mit kleinen Akkus etwa für kabellose Kopfhörer – bis auf 181,30 Euro gestiegen. Seither geht es abwärts.
Als neue Gesellschafter sollen unmittelbar im Anschluss an den Kapitalschnitt eine vom Varta-Mehrheitseigner Michael Tojner kontrollierte Gesellschaft (MT InvestCo) sowie einer Beteiligungsgesellschaft des Sportwagenherstellers Porsche AG mit jeweils 30 Mio. Euro einsteigen. Ein Teil der Investition Tojners seien Immobilien, die Varta derzeit miete.
Nach Abschluss aller Kapitalmaßnahmen sollen MT InvestCo und Porsche je 32 Prozent von Varta halten, die übrigen Finanzierer zusammen 36 Prozent. Rechtlich würden die Beteiligungen an der Varta AG laut der Mitteilung zunächst von MT InvestCo und Porsche zu je 50 Prozent gehalten, „wobei bei der Ausgestaltung darauf geachtet würde, dass weder MT InvestCo noch Porsche AG noch beide gemeinsam die Kontrolle hätten“.
Die Porsche AG teilte zudem mit, Vartas Autobatterie-Tochtergesellschaft V4Drive Battery mehrheitlich übernehmen zu wollen. Porsche zeigte sich zugleich bereit, sich „mit weiteren Partnern“ an der finanziellen Neuaufstellung der Varta AG zu beteiligen, wie es hieß. Dabei würde sich Porsches Investition auf 30 Mio. Euro belaufen. In der Firma V4Drive Battery bündelt Varta das Geschäft für großformatige Lithium-Ionen-Rundzellen, die im Hybrid-Antrieb des Porsche 911 Carrera GTS eingesetzt werden.
Die am Samstag präsentierte Einigung konkretisiert, was Varta vor knapp einem Monat angekündigt hatte. Damals teilte der Konzern mit, beim Amtsgericht Stuttgart ein Restrukturierungsvorhaben nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) anzuzeigen. Die Altaktionäre sollten rausgedrängt werden, Gläubiger auf einen Großteil ihres Gelds und ihrer Ansprüche verzichten.
Mehrheitseigner Tojner erklärte damals: „Wir müssen diesen Schritt setzen, um Varta eine Zukunft zu geben, fast 4.000 Arbeitsplätze zu sichern und das Unternehmen als Wirtschaftsfaktor in der Region und vor allem als Technologieträger für Europa zu erhalten.“
Der Sprecher präzisierte auf Nachfrage, es werde voraussichtlich einen moderaten Stellenabbau in der Verwaltung geben. Hingegen würden im gewerblichen Bereich Arbeitskräfte gesucht. Was das am Ende für die Zahl der Mitarbeitenden bedeute, sei noch nicht abzusehen. Schon im Frühjahr 2023 hatte Varta infolge eines Sparprogramms angekündigt, weltweit rund 800 Stellen zu streichen – etwa 390 davon in Deutschland.
Schon länger steckt der Batteriekonzern in der Krise. Beispielsweise schwankt die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Knopfzellen etwa für Kopfhörer stark. Zuletzt klagte Varta über Billigkonkurrenz aus China sowie anhaltende Probleme in den Lieferketten. Zudem attackierten Hacker im Februar Vartas Computersysteme und legten die Produktion wochenlang lahm.
Mitte April hatte Varta eingestehen müssen, dass das eigene Umstrukturierungskonzept nicht mehr ausreicht, um wie geplant bis Ende 2026 auf einen profitablen Wachstumskurs zurückzukehren. Im Juni kappte Varta wegen schwacher Nachfrage das Umsatzziel für 2024. Der Umsatz sollte sich im laufenden Jahr demnach nun bei 820 bis 870 Mio. Euro einpendeln. Bis dahin hatte der Vorstand mindestens 900 Mio. Euro auf dem Zettel.
In den ersten neun Monaten 2023 hatte Varta rund 554 Mio.c Euro Umsatz gemacht. Aktuellere Geschäftszahlen gibt es wegen des Hackerangriffs nicht. Angaben zum ersten Quartal 2024 werden am 30. August erwartet, der Geschäftsbericht 2023 Ende Oktober.
APA/dpa-AFX