Die unterirdischen Kavernen sind zu 90 Prozent befüllt, und es wird weiter Gas eingelagert. Preissprünge im Fall von Ausfällen russischer Lieferungen sind dennoch möglich.
Angesichts von 30 Grad und mehr, die halb Europa seit Wochen fest im Griff halten, verschwendet kaum jemand Gedanken ans Heizen. Dennoch sind es bis zum Start der Heizsaison am 1. Oktober nur mehr sechs Wochen. Und weil gerade in Österreich viele Haushalte noch immer mit Gas heizen, ist die Frage der Verfügbarkeit wesentlich.
Was die Versorgung betrifft, geben die allermeisten Experten und Expertinnen für den Moment Entwarnung. Gas sei genug am Markt, Leitungskapazitäten gebe es auch, lautet der Tenor. Wie sich die Gaspreise entwickeln werden, wenn der Transitvertrag zwischen Russland und der Ukraine Ende des Jahres wie von vielen erwartet ersatzlos ausläuft oder ein unvorhergesehenes Ereignis eintritt, sei von vielen Faktoren abhängig.
„Die Speicher sind europaweit gut gefüllt, sodass wir sicher über den Winter kommen sollten“, sagt die Leiterin der Gasabteilung in der Regulierungsbehörde E-Control, Carola Millgramm, dem STANDARD. Die Preisentwicklung hänge unter anderem davon ab, wie stark die Nachfrage nach Gas in anderen Regionen der Welt ausfällt, insbesondere in Asien, wie viele Schiffe mit verflüssigtem Erdgas be- und entladen werden können und wie kalt der Winter in der nördlichen Hemisphäre wird.
Kurz nach Bekanntwerden des ukrainischen Vorstoßes in die russische Region Kursk mit der wichtigen Gasübergabestation nahe Sudscha hat der Erdgaspreis in Europa mit zeitweilig fast 43 Euro je Megawattstunde (MWh) ein seit Dezember 2023 nicht mehr gesehenes Niveau erreicht. Zum Vergleich: Im August 2022 ist der Erdgaspreis am niederländischen Handelspunkt TTF auf deutlich über 300 Euro je MWh geschnellt und hat, weil mit Gas in Kraftwerken auch elektrische Energie erzeugt wird, zusätzlich den Strompreis im Großhandel nach oben katapultiert.
Speichern für den Ernstfall
In Österreich jedenfalls waren die Gasspeicher zum Stichtag 17.8.2024 (siehe Grafik) zu 90,32 Prozent gefüllt. Vergleichbar viel war auch im vergangenen Jahr an Gas eingelagert. Gasmarktexpertin Millgramm geht davon aus, dass die Speicher in den kommenden Wochen noch auf nahezu 100 Prozent aufgefüllt werden, wie dies 2019 der Fall war, als gegen Jahresende die Verlängerung der Transitverträge anstand und es im Vorfeld große Verunsicherung gab, ob und zu welchen Konditionen dies erfolgen würde. Aber nicht nur in Österreich sind die Speicher gut ausgelastet, auch in den Nachbarländern hat man entsprechend vorgesorgt. Alle Speicher im EU-Raum zusammengerechnet sind diese im Schnitt zu knapp 90 Prozent gefüllt.
Die Ukraine hingegen, die über die größten Speicher in Europa verfügt, liegt bei den eingespeicherten Gasmengen deutlich unter dem Wert vor einem Jahr: Mit knapp 76,5 Terawattstunden (TWh) sind die dortigen Speicher bei einer technischen Gesamtkapazität von knapp 320 TWh nur zu 22 Prozent befüllt. Grund ist unter anderem die Scheu vieler Händler aus dem Westen, aufgrund der verschärften Sicherheitslage Gas in der Ukraine zwischenzulagern und bei Bedarf abzurufen. Eine Beschädigung oberirdischer Gasspeicher-Infrastruktur könnte, so die Befürchtung, dazu führen, dass das Gas, wenn man es braucht, nicht aus den unterirdischen Kavernen geholt und zum Bestimmungsort gebracht werden kann.
Internationale Pflichten
Von den auf österreichischem Staatsgebiet befindlichen Speichern mit einer Gesamtkapazität von gut 100 TWh waren Anfang August laut dem Energie-Infoportal der Bundesregierung 19,46 TWh als strategische Gasreserve für Abnehmer in Österreich reserviert. 23,74 TWh konnten Händlern zugeordnet werden, die Gaskunden und -kundinnen in Österreich versorgen.
Für Speicherkunden außerhalb Österreichs waren 43,63 TWh reserviert; auf knapp fünf TWh beliefen sich zum angegebenen Zeitpunkt die sogenannten immunisierten Mengen. Das sind Gasmengen, die hauptsächlich von Industrieunternehmen als Vorsorge vor Engpässen eingelagert werden und auf die der Staat selbst im Energielenkungsfall, also wenn es wirklich kritisch ist, nur in absoluten Ausnahmeszenarios zugreifen kann.
Der Standard