Prüfung. BWB und E-Control orten mangelnden Wettbewerb auf dem Energiemarkt. Die meisten wissen nicht, was sie für Strom und Gas bezahlen – und bleiben auf enormen Kosten sitzen.
In der Energiekrise 2022 kam der Wettbewerb unter den Strom- und Gasanbietern in Österreich de facto zum Erliegen. Alternative Anbieter zogen sich zurück, Landesversorger belieferten nur noch Menschen in ihrem Bundesland, die Preise gingen durch die Decke.
So weit, so bekannt. Aber wie hat sich die Lage seither entwickelt? Immerhin sind die Großhandelspreise sowohl für Elektrizität als auch für Erdgas an den Börsen nun schon seit eineinhalb Jahren rückläufig. Aber davon profitieren längst nicht alle Kundinnen und Kunden, warnen die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und der Energieregulator E-Control im zweiten Zwischenbericht ihrer „Taskforce Strom & Gas“. Wer sich nicht aktiv kümmert, zahlt Preise wie auf dem Höhepunkt der Krise.
Zwar habe es im Schnitt in den vergangenen Monaten eine gewisse Entspannung auch bei den Endkundenpreisen gegeben, schreiben die Prüfer. Allerdings variieren die tatsächlichen Energiekosten für die Haushalte auch unter den Kundinnen und Kunden desselben Anbieters stark, so das Ergebnis der Untersuchungen. So sind etwa die Preise im Westen des Landes deutlich niedriger als im Osten. Und auch die Vielzahl an unterschiedlichen Verträgen, die von den Unternehmen selbst angeboten werden, führt dazu, dass manche Kunden eines Lieferanten deutlich mehr für Strom und Gas bezahlen als andere.
Monopolartige Märkte
Ein Grund dafür ist die Dominanz der alten Landesversorger. Ähnlich wie bei Strom sei auch die Marktkonzentration auf dem österreichischen Erdgasmarkt sehr hoch, man könne hier „von quasi monopolartigen Größenordnungen sprechen“, meint die Chefin der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), Natalie Harsdorf. Da wie dort dominieren hier die Landesenergieversorger ihr jeweiliges Stammrevier mit Marktanteilen von bis zu 90Prozent und mehr. Dass die Unternehmen in Besitz der öffentlichen Hand so agieren können, liegt aber auch an der Trägheit der Energiekunden. Die meisten von ihnen wissen gar nicht, wie viel sie für Strom und Gas bezahlen. Noch weniger machen sich die Mühe, einen billigeren Anbieter zu suchen.
Nach einer aktuellen Umfrage wissen 84Prozent der heimischen Gaskunden nicht, wie hoch ihr Gaspreis ist, 68Prozent wissen nicht, wie viel sie für die Kilowattstunde Strom bezahlen. „Das ist aber die wesentliche Voraussetzung, um überhaupt eine Entscheidung treffen zu können, ob ich den Lieferanten wechsle, oder eben nicht“, sagt E-Control-Chef Wolfgang Urbantschitsch. Zudem hat jeder zweite Österreicher noch nie seinen Energielieferanten gewechselt – und das fast ein Vierteljahrhundert nach der Liberalisierung der Energiemärkte.
60 Cent je Kilowattstunde
Und so gibt es derzeit in Österreich Zigtausende Menschen, die um die 60 Cent je Kilowattstunde Strom bezahlen, obwohl dieselbe Menge an Energie auch um sechs Cent zu haben wäre. 30.000 Kundinnen und Kunden im Land bezahlen zehn Mal so viel für ihre Elektrizität, wie sie müssten, so das Ergebnis des Zwischenberichts.
Die starken Preisanstiege beschäftigen nicht nur den Regulator, sondern auch die Justiz. Gerade Wasserkraftproduzenten kamen in die Kritik, weil sie billig Strom erzeugt hatten, diesen aber in der Krise teuer an die Kunden weitergegeben haben. Lieferanten führen in den zahlreichen Prozessen rund um die stark gestiegenen Preise hingegen ins Feld, dass sie auch konzernintern zu Marktpreisen einkaufen müssten. Das bestätigte auch die Taskforce. Kunden von Wasserkrafterzeugern dürften nicht automatisch einen Preisvorteil erwarten. Dennoch: Die Ausreißer nach oben (60 Cent je kWh bei Strom und 25 Cent bei Gas), seien „für die Taskforce kaum oder schlicht nicht nachvollziehbar, da sie im Extrem bei über 300Prozent der aktuell teuersten, aber noch plausiblen Einkaufsstrategien liegen“, so Urbantschitsch. Verglichen mit Unternehmen, die einen wirklich guten Einkauf haben, seien die Tarife gar um das Zehnfache überteuert.
Untersuchung bei Fernwärme
Die Lösung liegt für BWB und E-Control auf der Hand: mehr Transparenz bei den tatsächlichen Energiekosten, was vor allem durch eine monatliche Energierechnung gewährleistet werden sollte. „Wenn ich einmal im Monat eine Rechnung bekomme und weiß, wie viel ich bezahle, dann kann ich auch reagieren und kann mich vor solchen hohen Preisen schützen, ich kann einfach abwandern“, sagt Urbantschitsch. Über mangelnde Auswahl könnten sich die Kundinnen und Kunden nicht (mehr) beschweren. Sowohl bei Strom als auch bei Gas sind inzwischen wieder zig alternative Unternehmen auf dem Markt.
Die Taskforce sieht ihre Arbeit mit dem zweiten Zwischenbericht noch nicht als beendet an. Die Bundeswettbewerbsbehörde will nun mit einer Branchenuntersuchung im Bereich der Fern- und Nahwärme nachlegen. Die Beschwerden über intransparente Preise und andere fragwürdige Geschäftspraktiken würden stark ansteigen, so die BWB. Aktuell bezieht jeder dritte Haushalt Fernwärme von Unternehmen, die meist ein regionales Monopol besitzen. Anders als bei Strom und Gas ist der Fernwärmesektor bis dato kaum reguliert.
von Matthias Auer
Die Presse