Energieanbieter profitieren von träger Kundschaft

22. August 2024

Marktmissbrauch spürten Bundeswettbewerbsbehörde und E-Control bei den Energieversorgern nicht auf. Aber die Marktaufseher fordern mehr Transparenz auch bei Verträgen. Nun nimmt man den Markt für Fernwärme ins Visier.

Der Energiemarkt bleibt in Österreich für viele ein Buch mit sieben Siegeln. Die Preissprünge bei Gas und Strom als Folge der russischen Offensive in der Ukraine ab Februar 2022 haben zwar mehr und mehr Verbraucher und Verbraucherinnen bewogen, sich intensiver mit dem Sektor zu beschäftigen, doch das gesteigerte Interesse scheint schon wieder verpufft zu sein.

Warum das so ist, dazu haben die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und die Regulierungsbehörde E-Control am Dienstag bei der Präsentation weiterer Zwischenergebnisse zu der vor eineinhalb Jahren gestarteten Branchenuntersuchung einige Theorien aufgestellt. Hohe Marktkonzentration, wenig Wettbewerb und ein hohes Maß an Intransparenz sorgten dafür, dass Konsumenten und Konsumentinnen im Endeffekt mehr für Strom und Gas zahlten, als dies in kompetitiven Märkten der Fall wäre. Die Generaldirektorin der BWB, Natalie Harsdorf, und E-Control-Vorstandsdirektor Wolfgang Urbantschitsch fordern die Energieversorger deshalb auf, für mehr Transparenz zu sorgen, nicht zuletzt bei der Vertragsgestaltung.

Sparpotenzial nicht genutzt

Ein wesentliches Merkmal für funktionierenden Wettbewerb sei die Wechselrate in einem Land. Die ist aber gerade in Österreich niedrig. In den Jahren nach der Liberalisierung der Strommärkte von 2001 bis 2013 lag die Wechselrate unter zwei Prozent. Erst 2014 ging sie kurzzeitig nach oben – mit einem neuerlichen Einbruch 2015. Dann stieg die Wechselrate wieder an und erreichte in den Jahren 2017 bis 2019 mit 4,3 Prozent ihren bisherigen Höhepunkt. Mangels Angeboten fiel sie 2022 auf 2,2 Prozent – wieder auf das Niveau von 2015 – zurück.

Obwohl für Privathaushalte 2023 bei gesunkenen Großhandelspreisen zum Teil mit einem Anbieterwechsel nie gesehene Einsparungspotenziale zu realisieren gewesen wären, stieg die Wechselrate kaum über das Vorkrisenniveau. Zum Vergleich: In den Niederlanden wechselte jeder Vierte. Geringfügig dahinter rangiert Belgien, ebenfalls hoch ist sie in Spanien und in Italien. Deutschland liegt mit rund zehn Prozent auch besser als Österreich.

Zumindest beim Strom hatte die gebremste Wechselbereitschaft wohl auch damit zu tun, dass die Regierung im Dezember 2022 den Stromkostenzuschuss mit dem Ziel auf den Weg gebracht, Konsumenten und Konsumentinnen zu entlasten. Damit wurden für einen Jahresgrundbedarf von 2900 Kilowattstunden (kWh) jene Stromkosten vom Staat ersetzt, die zehn Cent netto je kWh überschreiten, bis maximal 40 Cent. Seit Juli ist der Stromkostenzuschuss mit 15 Cent gedeckelt, das heißt, bis zu zehn Cent je kWh muss jeder Haushalt aus der eigenen Tasche zahlen genauso wie die Kosten, die 25 Cent je kWh überschreiten. Ende des Jahres läuft der Stromkostenzuschuss endgültig aus.

Die geringe Wechselbereitschaft sei auch dem Umstand geschuldet, dass viele Konsumenten und Konsumentinnen gar nicht Bescheid wissen, wie viel sie für Strom und Gas zahlen, und somit auch Konkurrenzangebote, die es nach längerer Absenz alternativer Anbieter wieder gibt, nicht einschätzen könnten. Das deckt sich mit einer aktuellen Umfrage des Market-Instituts im Auftrag der E-Control. Demnach gaben von den 1000 repräsentativ Befragten bei Strom knapp 70 Prozent an, dass sie nicht wissen, wie viel sie pro kWh zahlen; bei Gas waren es mehr als 80 Prozent.

Rückzug der Versorger

In derselben Umfragen sagten mehr als die Hälfte, dass sie noch nie ihren Energieanbieter gewechselt haben; nur zwei von zehn haben zumindest einmal weg vom angestammten Energieversorger gewechselt. Dabei könnten sich Haushalte auch in der aktuellen Situation bei der Wahl eines günstigeren Anbieters einige Hundert Euro pro Jahr ersparen.

Negativ aufgefallen ist der Taskforce aus BWT und E-Control, die einen ersten Zwischenbericht zur Branchenuntersuchung Ende Juni vergangenen Jahres präsentiert und bereits damals einen schwachen Wettbewerb moniert hatte, dass sich die allermeisten Landesenergieversorger in der Krise auf ihre Kerngebiete zurückgezogen haben. Bis auf Energie Steiermark und Verbund biete so gut wie kein Unternehmen mehr unter eigenem Namen österreichweit an. Das eine oder andere Unternehmen versuche, mit einer Zweitmarke und günstigeren Tarifen Kunden und Kundinnen zu halten, die andernfalls zu einem Konkurrenten wechseln würden.

Als Nächstes nimmt die BWB den Markt für Fernwärme unter die Lupe. Grund seien Beschwerden, die von Fernwärmekunden eingebracht wurden, sagte BWB-Generaldirektorin Harsdorf. Man habe es dabei mit einem besonders sensiblen Bereich zu tun, weil es sich bei den Nah- und Fernwärmeanbietern um natürliche Monopole handle und ein europaweites Regelwerk fehle. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen zusammen mit dem Endbericht im Sommer 2025 präsentiert werden.

Der Standard

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