In Österreichs Budgetrahmen wurden bis zu zwei Milliarden Euro für den Kauf von CO2-Zertifikaten reserviert. Warum Experten Zweifel haben, dass das reichen könnte.
Der Nationale Energie- und Klimaplan (NEKP), den die Regierung zu Wochenbeginn besiegelt und mit Verspätung nach Brüssel geschickt hat, zeichnet vor, wie Österreich sein EU-Klimaziel bis 2030 nun doch erreichen kann. Dennoch wird in dem 345 Seiten starken Papier auch für den Fall vorgesorgt, dass es doch nicht gelingt: „Das Bundesministerium für Finanzen hat in seiner langfristigen Budgetprognose 2022 einen Budgetrisikowert im Basisszenario von rund 4,7 Mrd. Euro für den Zeitraum 2021 bis 2030 errechnet“, heißt es im NEKP – für den Fall, dass Österreich sein CO2 -Reduktionsziel von 48 Prozent (gegenüber 2005) nicht schafft.
Nachdem bereits zahlreiche Maßnahmen zur Senkung des Ausstoßes von CO2 laufen oder vereinbart wurden, geht das Ministerium von 1,2 bis 1,7 Mrd. Euro (zu den niedrigen CO2 -Preisen des Jahres 2020) aus. Mit den Steuermitteln müssten Verschmutzungszertifikate aus EU-Staaten gekauft werden, die ihre CO2 -Ziele übererfüllen.
Das Finanzministerium spricht von einem „Sicherheitsnetz“, das mit der möglichen Einrichtung eines „Ankaufsprogramms“ in den NEKP eingebaut worden sei und „das uns für alle Eventualitäten wappnet“. Damit stelle man die Zielerreichung sicher und sorge für mögliche Herausforderungen vor. Intern laufen dort bereits entsprechende Vorbereitungen.
Klimaökonomen wie Karl Steininger vom Wegener Center für Klima und globalen Wandel an der Universität Graz sind skeptisch. Solange die EU ihre Treibhausgasemissionen um 40 Prozent senken wollte, sei die Verfügbarkeit solcher CO2 -Zertifikate im Bereich Mobilität und Gebäude – um die es im NEKP geht – vorstellbar gewesen. „Aber mit minus 55 Prozent ist das unplausibel.“ Auch sein Kollege Stefan Schleicher, Klimaexperte der ersten Stunde und emeritierter Professor der Uni Graz, hält es für „extrem unwahrscheinlich“, dass es 2030 genug Zertifikate geben wird. Noch dazu, weil nicht nur Österreich, sondern auch Länder wie Deutschland diesen Markt sondieren. Das Problem könnte 2026 auf den Tisch kommen, wenn in der EU die erste Phase der CO2 -Reduktion evaluiert wird.
Grundsätzlich gehen die EU-Staaten sehr diskret mit dem Thema um. Dem Vernehmen nach werden bereits Vorverträge zwischen Regierungen geschlossen.
Welche Länder ihre Klima-Fleißaufgaben zu Geld machen könnten, bleibt geheim, weil keiner die Preise treiben will. Als Musterschüler bei der Emissionssenkung gelten die Skandinavier. Infrage kommen auch osteuropäische Länder wie Rumänien oder Ungarn, die ihre deutlich geringen EU-Zielvorgaben leichter übererfüllen können. Dagegen ist laut Steininger kurzfristig nichts einzuwenden. Klimaschutzeffekte ließen sich in solchen Ländern meist viel günstiger erzielen als hierzulande. Längerfristig müssten aber alle Länder Klimaneutralität erreichen, Österreich sogar schon 2040.
Im Klimaministerium sieht man den Kauf von Zertifikaten als Ersatz für eigene Anstrengungen zum Klimaschutz generell kritisch. Ein Ankaufsprogramm sei „explizit“ nicht Teil der Maßnahmen zur Zielerreichung, wird dort, nicht zuletzt in Richtung des ÖVP-geführten Finanzministeriums, betont. Nach den aktuellen Prognosen sei Österreich jetzt auf dem EU-Pfad. Dann bestehe kein Bedarf für Käufe.
Nach Schätzungen des Umweltbundesamtes hat Österreich 2023 seinen Treibhausgasausstoß um 5,3 Prozent auf 59 Mill. Tonnen CO2 -Äquivalent gesenkt. Die Emissionen im Verkehr und Wärmebereich sind um 4,6 Prozent auf 44,1 Mill. Tonnen zurückgegangen, der Ausstoß der Industrie, der im ETS erfasst ist, um 6,6 Prozent auf 24,9 Prozent. Die endgültigen Zahlen werden am Donnerstag publiziert.
von Monika Graf
Salzburger Nachrichten