Zuletzt kamen wieder 80 Prozent des Gases aus Russland.
Wien Die gute Nachricht vorab: Vorarlberg ist für den Winter gut versorgt. „Der von der illwerke vkw im Speicher 7Fields reservierte Gasspeicher ist aktuell zu fast 100 Prozent gefüllt. Die Menge beträgt rund 700 Gigawattstunden. Dies entspricht etwa der Hälfte des gesamten Erdgasverbrauchs im Winter (Haushalte und Industrie) oder des gesamten Verbrauchs der Haushalte in den Wintermonaten“, informiert der Unternehmenssprecher der illwerke vkw, Andreas Neuhauser. Zudem wird in Vorarlberg effizienter mit Energie umgegangen: „Prinzipiell ist eine Abnahme des Gasverbrauchs messbar. Im ersten Halbjahr 2024 ist die Erdgasabgabe von ‚vorarlberg netz‘ um 6,7 Prozent gesunken.“
Historisch gewachsen
Wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass der Füllstand von Österreichs Gasspeichern ein Thema ist? Die Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas ist historisch gewachsen, wie Herbert Lechner, der ehemalige wissenschaftliche Leiter der Österreichischen Energieagentur (AEA), in seiner Analyse „An der Gasleine“ analysiert hat. In den Jahren des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg stieg der Bedarf an Gas rasch. Die inländische Gasförderung konnte den Verbrauch nicht mehr abdecken, die Suche nach Lieferanten im Ausland begann. Als erstes westeuropäisches Land schloss Österreich einen Liefervertrag mit der damaligen UdSSR ab.
Im Laufe der Jahrzehnte stieg der russische Anteil an den Importen von etwa 45 auf etwa 80 Prozent – trotz internationaler Warnungen. Eine schwedische Regierungsagentur zählte etwa von 1991 bis 2006 international 55 Fälle, in denen Russlands Staatskonzern Gazprom Lieferungen gestoppt oder damit gedroht hätte. Der damalige OMV-Konzernchef Rainer Seele unterzeichnete 2018 trotzdem die Verlängerung der Lieferverträge mit Gazprom bis 2040. Beim Vertragsschluss in Russland standen im Hintergrund: Der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und der russische Präsident Wladimir Putin. Aktuell prüft eine Kommission die Verträge. Der Abschlussbericht soll laut Klimaministerium Ende des Jahres kommen.
In den vergangenen zwei Jahren hat sich Österreich bemüht, die Abhängigkeit zu reduzieren. Dazu gehöre die Unterstützung der gemeinsamen Gaseinkaufsplattformen auf EU-Ebene oder das Gasdiversifizierungsgesetz. Bislang sind kaum Erfolge zu erkennen: Im Juni wurden 83 Prozent des Gases aus Russland importiert. Im Mai waren es 90 Prozent und im April 81 Prozent.
Preisanstieg vor dem Angriff
„Der für uns relevante Gaspreis vor der Pandemie und auch vor der europäischen Staatsschuldenkrise betrug rund 25 Euro/MWh (Durchschnitt der Jahre 2011-2014). Da sind wir heute auch. Zwischendurch sind die Preise aber extrem gestiegen“, sagt Sebastian Koch, Ökonom beim Forschungsinstitut IHS.
Der extreme Preisanstieg dürfte auf die Handlungen Russlands zurückzuführen sein, so Koch: „Die von Russland kontrollierten Gasspeicher wurden im September 2021 nach der Heizperiode nicht wie üblich befüllt. Das hat die Preise bereits in der zweiten Jahreshälfte 2021 stark steigen lassen.“ Die Erdgas-Großhandelspreise im Euroraum vervielfachten sich bereits 2021, also vor Russlands Angriffskrieg. Dieser Anstieg erfolgte somit nicht aufgrund von EU-Sanktionen und russischen Gegenmaßnahmen. „Für mich ist das ein klares Zeichen, dass unsere Abhängigkeit von russischem Gas vom Kreml ausgenützt wird“, sagt Koch.
Vorarlberger Nachrichten