Kraftwerk Stegenwald: Artenschutz nicht ausreichend beachtet

5. September 2024, Salzburg/Werfen

Die Aufhebung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für das Salzach-Kraftwerk Stegenwald im Salzburger Pongau durch den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) dürfte doch mehr als nur formale Gründe gehabt haben. Wie Landesumweltanwältin Gishild Schaufler der APA Berichte von „Salzburger Nachrichten“ und „ORF Salzburg“ bestätigte, habe es auch eklatante Ermittlungsmängel gegeben, auf diese man Projektwerber, Behörde und Gericht immer wieder aufmerksam gemacht habe.

„Beim Thema Artenschutz wurden unsere Einwendungen und Vorbringen nie berücksichtigt. Das betrifft alle möglichen Tierarten. Also die Haselmaus, die waldbewohnenden Vogelarten, aber auch Amphibien und Reptilien und dieses ganze Zusammenspiel im Ökosystem. Das wurde nie ausreichend erhoben“, sagte Schaufler. Die Projektbetreiber – Salzburg AG und Verbund (Anm.) – hätten in vollem Wissen des Risikos trotz des eingebrachten Rechtsmittels im Vorjahr zu bauen begonnen. „Jetzt ist es natürlich für alle Beteiligten schlimm. Für die Natur, die teils unwiederbringlich zerstört ist. Für die Projektwerber, weil enorme Kosten entstehen“, sagt Schaufler. Bis zum Vorliegen einer neuerlichen naturschutzrechtlichen Bewilligung werden auf der Baustelle jene Arbeiten eingestellt, die eine solche Bewilligung brauchen.

Ohne die Erhebungen, welche Tierarten in welcher Anzahl in der Umgebung der Baustelle leben, könnte auch der notwendige Umfang von Ausgleichsmaßnahmen nicht bestimmt werden, hatte die Landesumweltanwaltschaft im Vorfeld betont. Um etwa die Haselmauspopulation zu erheben, wären Vorrichtungen notwendig gewesen. So aber wurde nur auf eine Biodiversitätsdatenbank zurückgegriffen, in der zwei Zufallsfunde und Sichtungen aus 2013 eingetragen gewesen seien.

Ursprünglich hat die Naturschutzbehörde des Landes im Juni 2021 ihre Bewilligung für das Kraftwerk erteilt. Die Landesumweltanwaltschaft hat daraufhin Beschwerde eingelegt. Im Juli 2022 hat das Landesverwaltungsgericht (LVwG) diese als unbegründet abgewiesen. „Dem Landesverwaltungsgericht schien das Argument mit der Haselmaus damals ‚unsubstantiiert‘, es werde von einer näheren Prüfung diesbezüglich abgesehen bzw. sei davon auszugehen, dass im Projektgebiet keine Haselmauspopulation existiere“, heißt es in den „Salzburger Nachrichten“. Darauf legte die Landesumweltanwaltschaft außerordentliche Revision beim Höchstgericht ein – mit Erfolg.

Es sei aber nie um eine Verzögerung des Projekts gegangen, betonte Schaufler. „Es ist unser Auftrag, auf solche Mängel in Verfahren hinzuweisen.“ Man dürfe Artenschutz nicht auf einzelne Tiere reduzieren. „Es geht um das Funktionieren der Ökosysteme, die für das Überleben der Menschen notwendig sind. Intakte Lebensräume sind widerstandsfähiger und wichtig – zum Beispiel für Klimawandelanpassung und Ernährungssicherheit.“

Der Fall liegt nun wieder beim LVwG. Möglich ist, dass die Causa wieder zurück an die Behörde geht. Wie auch immer: Erhebliche Verzögerungen auf der Baustelle scheinen gewiss. Salzburg AG und Verbund haben am vergangenen Freitag mitgeteilt, die Auswirkungen des Entscheids zu prüfen und in den kommenden Tagen die weitere Vorgangsweise festzulegen.

Im Hintergrund arbeitet die schwarz-blaue Landesregierung in Salzburg an einer Novelle des Naturschutzgesetzes und des Landesumweltanwaltschafts-Gesetzes. Darin soll der Umweltanwaltschaft bei Projekten für erneuerbare Energie das Revisionsrecht beim Höchstgericht gestrichen werden. Wäre das ursprünglich schon für Jahresbeginn 2024 angekündigte Gesetz schon beschlossen worden, hätte es übrigens auch für das laufende Verfahren in Stegenwald gegolten.

APA