Die Lehren aus Wien Energie

16. September 2024, Wien

Reform. Die Stadt hat ein Paket geschnürt, mit dem mehr Transparenz und objektivere Postenbesetzungen in die städtischen Firmen einziehen sollen.

Es ist ein sperriger Begriff, der aber massive Auswirkungen auf Transparenz und Postenbesetzung in der Wiener Stadtverwaltung haben wird. Die Rede ist vom Wiener Public Corporate Governance Kodex (WPCGK), den Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) und Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) am Donnerstag präsentiert haben. Konkret betrifft dieses Regelwerk die städtischen Unternehmen.

Regeln werden verschärft

Der WPCGK hält erstmals schriftlich genau fest, welche fachliche Eignung und Erfahrung beispielsweise für einen Aufsichtsratsposten bei den städtischen Firmen notwendige Grundvoraussetzungen sind. Was wie selbstverständlich klingt, wurde seitens der Stadt bisher nicht entsprechend verbindlich festgeschrieben. Gleichzeitig soll der WPCGK das Beteiligungsmanagement der Stadt verbessern bzw. neu aufstellen, „um die komplexer werdenden Anforderungen zu erfüllen“, wurde betont. „Wir stellen heute eine große Transparenzoffensive vor, eines der letzten großen Pakete, das im Kapitel Transparenz im Koalitionsabkommen steht“, erklärte Wiederkehr, der auch Stadtrat für Transparenz, Bildung und Integration ist: „Erstmals gibt es einen Kodex, der einheitlich festschreibt, wie mit den Unternehmensbeteiligungen der Stadt umzugehen ist.“ Das betreffe beispielsweise die Wien Holding, aber auch die Wiener Festwochen.

Ein weiterer, zentraler Punkt: Der Prozess, die Art und Weise, wie Aufsichtsräte bei den städtischen Firmen bestellt werden, wird nun neu und einheitlich aufgesetzt. Festgeschrieben wurde dabei dezidiert die spezielle, berufliche Qualifikation als Kriterium für den jeweiligen Job. „Und es werden Cooling-off-Phasen eingeführt, um Interessenkonflikte zu vermeiden“, erklärte Wiederkehr: „Das ist für die politische Hygiene notwendig.“

In der Praxis bedeutet das: Es ist künftig nicht mehr möglich, von der Geschäftsführung eines städtischen Unternehmens direkt in den Aufsichtsrat desselben Unternehmens zu wechseln („Cool-down-Phase“).

Bei Postenbesetzungen in Aufsichtsräten bzw. Geschäftsführungen müssen die Kandidaten und Kandidatinnen künftig klar und objektiv definierte Fähigkeiten für den jeweiligen Job nachweisen. Die Gehälter der städtischen Geschäftsführer werden künftig veröffentlicht, der Frauenanteil in städtischen Aufsichtsräten soll Ende 2030 die Hälfte betragen.

„Nun herrscht Klarheit“

„Es gibt in dem WPCGK 120 Regelungen – 89 sind verpflichtend, 31 sind Empfehlungen“, so Wiederkehr. „Die Empfehlungen sind grundsätzlich ebenfalls verpflichtend.“ Ausnahmen gebe es nur in schriftlich begründeten und nachvollziehbaren Fällen, beispielsweise, wenn die Firmenstruktur die Umsetzung einer Empfehlung nicht zulasse.
Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke, der mit Wiederkehr das Transparenzpaket verhandelt hatte, zeigte sich zufrieden: „Es ist wichtig, dass Transparenzstandards jetzt festgeschrieben sind.“ Es entstehe nun Klarheit, was wichtig sei, weil es um das Geld der Wiener Steuerzahler gehe: „Deshalb müssen wir beweisen, dass wir höhere Standards haben.“ Nachsatz: „Wie wir mit dem Risikomanagement umgehen, findet sich nun in schriftlicher Form. Das ist ein erster Schritt, denn wir wollen weitergehen.“ Auf Nachfrage der „Presse“ erklärt Hanke: Die Lehren aus der Causa Wien Energie seien hier eingeflossen. Die neuen, strengeren Regeln seien bereits bei der Besetzung des neuen Aufsichtsrats der Wien Holding angewandt worden.

Zur Erinnerung: Im August 2022 wäre die Wien Energie nach Verwerfungen auf den Energiemärkten (Stichwort: Russland-Krise) fast insolvent geworden. Später kritisierte der Rechnungshof harsch das Risikomanagement von Wien Energie.

von Martin Stuhlpfarrer

Die Presse