Seit zwei Jahren zahlen die Österreicher für klimaschädliches Kohlendioxid. Ökonomen loben das Modell, die Lenkungswirkung blieb bis dato aber weitgehend aus.
Anfang September floss Geld in Strömen. Die Menschen in Österreich erhielten die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung in Form des Klimabonus zurück. Mindestens 145 Euro bekam jeder Erwachsene – wer in strukturschwachen Regionen lebt, doppelt so viel. Minderjährige erhielten jeweils die Hälfte. Mit einem Video wandte sich Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) an die Bevölkerung: „Der Klimabonus ist wirklich europaweit einzigartig“, jubelte die Grüne. „Klimaschutz zahlt sich im Geldbörsel aus.“
Wer ins Wahlprogramm der FPÖ blickt, bekommt ein ganz anderes Bild. „Weg mit der CO2-Steuer“, fordert der aktuelle Umfragenkaiser. Die Freiheitlichen bezeichnen die CO2-Bepreisung als „Umerziehungssteuer“ und als „CO2-Strafsteuer“, die den Individualverkehr verteuere. Der Klimabonus sei eine „völlig sinnentleerte Umverteilung“.
Die Debatte um die CO2-Bepreisung bewegt sich also zwischen Jubel und Pein. Doch wie gut ist sie wirklich? Nützt sie dem Klima? Oder treibt sie bloß die Preise an?
Ein Rückblick: Anfang 2022 beschloss die schwarz-grüne Koalition die ökosoziale Steuerreform mit ihrem Herzstück, der CO2-Bepreisung. Die Regierung hütete sich davor, sie als Steuer zu bezeichnen. Inhaltlich hatte sie damit auch recht. Denn das klimaschädliche Kohlendioxid kostet zwar etwas, aber die Einnahmen daraus fließen wieder direkt an die Bürgerinnen und Bürger zurück. Wer das Klima schont, profitiert somit. Wer es schädigt, zahlt drauf. Um die Menschen in strukturschwachen Regionen nicht zu benachteiligen – weil sie etwa kaum Öffis haben –, erhalten diese einen höheren Klimabonus.
CO2-Preis rauf, CO2 runter
Die CO2-Bepreisung hatten nicht nur Klimaaktivistinnen im Wahlkampf 2019 eingefordert, auch Klimawissenschafter machten sich dafür stark. „Tatsächlich sind CO2-Preise im Allgemeinen eines der wichtigsten Steuerungselemente in der Klimapolitik“, sagt Klimaökonom Gernot Wagner von der Columbia Business School in New York. „CO2-Preis rauf, CO2 runter funktioniert nicht nur in der Theorie, wie es etwa die langjährige schwedische Erfahrung bestätigt.“
Schweden gilt als europäisches Musterland im Klimaschutz. Anfang der 1990er reformierten die Skandinavier ihr Steuersystem. Sie entlasteten Arbeit, führten dafür eine Steuer auf CO2 ein. Zugleich investierten sie in klimafreundliche Energie. 1991 berappten die Schweden rund 25 Euro pro Tonne CO2, heute sind es rund 120 Euro. Das Klima wurde geschont, die Wirtschaft blieb verschont. Laut der schwedischen Regierung schrumpften die Emissionen bis 2021 um ein Drittel, während das Bruttoinlandsprodukt um 92 Prozent wuchs. In keinem anderen EU-Land sind die Emissionen gemessen am BIP so gering wie in Schweden.
45 Euro pro Tonne CO2
Seit Anfang Oktober 2022 zahlen auch die Menschen in Österreich fürs Kohlendioxid. Der Einstiegspreis lag mit 30 Euro pro Tonne anfangs weit unter den Empfehlungen von Klimaökonomen. Heute kostet sie 45 Euro, nächstes Jahr steigt der Preis weiter auf 55 Euro.
Das Umweltbundesamt erstellt die österreichische Treibhausgasbilanz, im August wurde die erste Schätzung fürs Vorjahr präsentiert. Österreich hat sich demnach beim Klimaschutz verbessert. Die Emissionen sanken im Vergleich zu 2022 um 6,4 Prozent. Nach Jahrzehnten der Stagnation zeigt die Emissionskurve seit zwei Jahren deutlich nach unten. Ist das auch auf die CO2-Bepreisung zurückzuführen?
„Unsere Analyse zur Treibhausgasentwicklung zeigt, dass Preissignale in Kombination mit Klimaschutzmaßnahmen – wie Förderungen – und neuen Technologien den Umstieg auf erneuerbare Energieträger deutlich beschleunigen“, heißt es dazu aus dem Umweltbundesamt. „Daten zum konkreten Einfluss der CO2-Bepreisung der letzten Jahre liegen uns derzeit nicht vor, hier ist die Abgrenzung zu Energiekriseneffekten methodisch herausfordernd.“
Zusammengefasst bedeutet das: Die Emissionen sanken auch, weil klimaschädlicher Treibstoff teurer wurde. Dies war aber nicht nur Folge der CO2-Bepreisung, sondern vor allem der Energiekrise infolge des Ukrainekriegs. Zur Einordnung: Laut ÖAMTC verteuerte der CO2-Preis einen Liter Diesel im Vorjahr um netto acht Cent. Heuer beträgt der Aufschlag elf Cent.
„Im Verkehr war der CO2-Preis wahrscheinlich zu klein für wesentliche Änderungen“, sagt Karl Steininger vom Wegener Center an der Universität Graz. Der Volkswirt analysierte im August die Entwicklung der österreichischen Treibhausgasemissionen seit 2021. „Im Gebäudesektor hat die CO2-Bepreisung mittelfristig aber sehr wohl gewirkt“, sagt Steininger, „die Leute sind beim Heizen preissensibler.“ 2023 schrumpften die Emissionen im Gebäudesektor in nur einem Jahr um ein Fünftel. Das liegt laut Steiningers Analyse vor allem daran, dass viele Österreicher ihre fossilen Heizungen durch klimafreundliche ersetzt haben. Neben den gestiegenen Kosten durch die CO2-Bepreisung und die Energiekrise waren dafür aber auch Förderungen mitverantwortlich, betont Steininger.
Ab 2027 zahlen alle in der EU
Während der Verkehr in Österreich nach wie vor das größte Klimaproblem darstellt, gehen die Emissionen in der Industrie und im Energiesektor schon seit mehreren Jahren zurück. Auch das liegt am CO2-Preis. Denn die Industrie und die Energiewirtschaft unterliegen dem EU-Emissionshandelssystem, kurz ETS. Das ETS führte die Europäische Union 2005 ein, sie regelt damit, wie viel Tonnen CO2 die beiden Sektoren ausstoßen dürfen. Die Menge wird in Zertifikate übersetzt, die die betroffenen Unternehmen untereinander handeln können. Weil die EU immer weniger Zertifikate ausgibt, steigt der CO2-Preis – und die Emissionen sinken. Derzeit kostet eine Tonne im ETS rund 65 Euro.
Im Jahr 2027 wird die Europäische Union das Emissionshandelssystem ausweiten. Das zweite ETS wird dann Verkehr und Wohnen umfassen. Spätestens dann müssen alle Menschen in der EU fürs CO2 zahlen. Der Einstieg soll jedoch schonend erfolgen. „Die EU strebt an, dass durch das zweite ETS-System die Tonne CO2 bis zum Jahr 2030 nicht mehr kosten soll als 45 Euro“, erklärt Claudia Kettner-Marx, Klimaökonomin am Wirtschaftsforschungsinstitut. „Das ist ein relativ geringer Zielwert.“ Damit wäre CO2 in der EU im Jahr 2030 noch immer billiger als in Österreich im Jahr 2025.
Kein Allheilmittel
Von einer doppelten Belastung – also einerseits die österreichische CO2-Bepreisung und andererseits Kosten durch den europäischen Emissionshandel – rät Kettner-Marx ab. Sie empfiehlt, die nationale CO2-Bepreisung in den europäischen Emissionshandel überzuführen, aber den CO2-Preis in Österreich dabei nicht abzusenken. Wie kann das gelingen? „Eine Option wäre, national eine Preisuntergrenze festzulegen. Das haben andere Länder schon gemacht und wäre juristisch möglich“, sagt Kettner-Marx. Damit wäre CO2 in Österreich zwar teurer als in manchen anderen EU-Staaten. Aber es würde der Republik dabei helfen, ihr EU-Ziel zu erfüllen. Bis 2030 muss Österreich seine Emissionen im Vergleich zu 2005 nahezu halbieren, sonst drohen EU-Strafzahlungen in Milliardenhöhe.
Aufschlag allein reicht nicht
Dass die CO2-Bepreisung ein klimapolitischer Erfolg ist, darin sind sich die Klimaökonomen Wagner, Steininger und Kettner-Marx einig. Ebenso darin, dass der Preis weiter steigen muss, damit sie ihre Lenkungswirkung weiter entfalten kann.
Allheilmittel sei die CO2-Bepreisung aber keines. Für die Wende brauche es deutlich mehr – von Förderungen über Innovationen bis hin zum Ausbau der Öffis. „Eine CO2-Bepreisung ist notwendig, aber nicht ausreichend“, sagt Kettner-Marx. „Wir brauchen auch Alternativen, damit wir den Umstieg schaffen.“
Der Standard