Industrie wettert gegen Gasreform

19. September 2024, Wien

Energie. Das Erneuerbares-Gas-Gesetz ringt um die Zweidrittelmehrheit. Die Industrie fordert eine Anpassung, es schade dem Standort. Und man solle absehen, es vor der Wahl umzusetzen.

Das Erneuerbares-Gas-Gesetz (EGG) soll mehr erneuerbares Gas auf den österreichischen Gasmarkt bringen und den Verbrauch von fossilem Erdgas im Land bis 2040 verringern. ÖVP und Grüne sind dafür, die SPÖ hat bisher nicht zugestimmt und verhindert derzeit noch die Zweidrittelmehrheit. Die Sozialdemokraten befürchten Mehrkosten für Haushalte. Solang das der Fall ist, stimmen sie nicht zu. Das könnte sich aber ändern, denn aktuell wird noch verhandelt. Stimmt die SPÖ zu, ist die Zweidrittelmehrheit erreicht.

Das Gesetz verpflichtet Energieversorger und die Industrie dazu, einen bestimmten Anteil an fossilem Gas mit „grün“ erzeugtem Gas zu ersetzen. Das kostet Geld. Bis 2030 rechnet die Industriellenvereinigung (IV) mit einer finanziellen Gesamtbelastung von 2,5 bis 2,8 Mrd. Euro durch das EGG. Den größten Teil würden Unternehmen bezahlen. So müsste ein Industriekunde mit einem Jahresverbrauch von zwei Terawattstunden – das entspreche etwa dem Verbrauch eines großen, energieintensiven Unternehmens mit mehreren Tausend Beschäftigten – bis 2030 mit mehr als 60 Mio. Euro Zusatzkosten rechnen. Ein Umstand, der nun auch bei der Industrie für Widerstand sorgt.

Der IV-Generalsekretär Christoph Neumayer kann dem aktuellen Entwurf nichts abgewinnen. Er warnt vor einer „Husch-Pfusch“-Umsetzung so knapp vor der Wahl, wie er am Dienstag bei einer Pressekonferenz zusammen mit dem Chef der Voestalpine, Herbert Eibensteiner, und Kurt Maier, Austropapier-Präsidiumsmitglied und Präsident der IV-Steiermark, sagte.

Voest: „Dreimal bezahlen“

Für Neumayer sei vor allem der Zeitpunkt der Umsetzung „absolut unverständlich“. „Die Umsetzung des Gesetztes trifft den Wirtschaftsstandort massiv. Wir befinden uns im zweiten Rezessionsjahr, die Industrie schon im dritten. Ich weiß nicht, wie man auf die Idee kommen kann, das jetzt umzusetzen“, so Neumayer. Gleichzeitig sagt er, dass es von dem Gesetz auch Profiteure aus den landwirtschaftlichen Reihen gäbe – „man kann sich also denken, welche Kräfte hier im Spiel sind“. Die Landwirtschaft produziert Biogas.

Würde das EGG, so wie es jetzt ist, umgesetzt werden, „müssten wir dreimal bezahlen“, sagt Voest-Chef Eibensteiner. „Einmal durch höhere Gaspreise. Dann durch höhere Strompreise, die auch durch das Gas angetrieben werden. Und diese beiden Energiekostenteile treiben die Inflation – und das spüren wir dann wieder über die Löhne“, so Eibensteiner. Er sieht den Standort von der Politik mit Füßen getreten und kritisiert den „künstlichen Inflationstreiber, den auch die Menschen zu spüren bekommen werden“.

Für den Zeitraum 2024 bis 2030 rechnet die Voest mit Zusatzkosten von mehr als einer Milliarde Euro durch das Gesetz. Ab 2030 würden die erforderlichen Maßnahmen 150Mio. Euro pro Jahr kosten. Diese Kosten zu kompensieren würde 2000Arbeitsplätze kosten und „Standortentscheidungen für die Voestalpine in der Zukunft beeinflussen“, droht Eibensteiner.

Paradoxes Gesetz

Ungerecht behandelt fühlt sich die Papierindustrie. „Wir erzeugen heute schon zwei Drittel aus erneuerbarer Energie“, so Maier. Und die Papierindustrie produziere bereits Biogas. Rund 200Gigawattstunden Biogas habe die Papierindustrie im vergangenen Jahr erzeugt. „Das ist deutlich mehr, als insgesamt in Österreich an Biomethan in das Gasnetz eingespeist wurde“, betont Maier.

Das Unverständliche am Gesetz für ihn: „Diese Biogasmenge aus der Industrie fällt nicht in die Quote, sondern wir müssen es in das Netz einspeisen.“ Dafür müsse es davor gereinigt und verdichtet werden, was zusätzlich Kosten verursache. Das eigene Gas müsse dann wieder zurückgekauft werden. „Ein größeres Paradoxon gibt es nicht“, so Maier. „Das Gesetz ist nicht ausgegoren und muss geändert werden“, fordert Maier.

Gesetz erzeuge teure Spirale

Für die Papierindustrie würde das Gesetz mindestens 30 Prozent höhere Energiekosten bedeuten, rechnet Maier vor. Die heimische Industrie sei im Wettbewerb – im Vergleich mit Europa – ohnehin schon wegen des nicht verlängerten Stromausgleichgesetzes benachteiligt, kritisieren Maier und Eibensteiner.

Komme das EGG in der jetzigen Form, wäre das eine zusätzliche Millionenbelastung, „die zu einer Spirale aus Inflationstreiber und höheren Lohnkosten führen würde, zulasten der Industrie“, so Maier. Nicht zuletzt würden das auch die Haushalte zu spüren bekommen.

von Melanie Klug

Die Presse

Ähnliche Artikel weiterlesen

„Die Energiewende ist kein Spaziergang“

18. September 2024

Warum heimische Kunden für Strom mehr zahlen

1. August 2024

Energieversorger fordern mehr Tempo bei der Energiewende

12. Juli 2024, Wien

Strom und Gas günstiger, Hilfe wird halbiert

2. Juli 2024, Innsbruck