Leben mit stündlich wechselndem Strompreis

1. Oktober 2024

Praxiserfahrung. Floater-Tarife zahlen sich aus, sind Anwender überzeugt. Um Preise auszunutzen, die sich tagsüber jede Stunde verändern, muss man aber teilweise neue Gewohnheiten entwickeln

Privathaushalte zahlen derzeit im Schnitt zwischen 20 und 40 Cent pro Kilowattstunde Strom. Es gibt aber auch Menschen, die wesentlich weniger zahlen, weil sie sogenannte Floater-Tarife mit stündlicher Anpassung ausnutzen. Dabei gilt für jede Stunde des Tages ein anderer Preis.

Der steht in direktem Zusammenhang mit Großhandelspreisen, die auf der Strombörse EPEX Spot täglich neu für den nächsten Tag ermittelt werden. Wenn man es richtig angeht und daheim zu günstigen Zeiten Strom verbraucht, kann man richtig viel sparen. Das schildern Kunden dem KURIER.

Alltag mit Preisdynamik

Auf das Jahr gerechnet hat Familie Z. aus Gänserndorf im vergangenen Jahr etwa sechs Cent pro Kilowattstunde gezahlt. Ihr größter Stromverbraucher ist ein E-Auto. Das Ladegerät dafür besitzt eine Schnittstelle zum Stromanbieter und lädt die E-Autobatterie automatisch zu günstigen Zeiten. Im Einfamilienhaus laufen Verbraucher wie Waschmaschine oder Trockner meistens am Wochenende, wo am Strommarkt wenig Nachfrage herrscht und Preise entsprechend niedrig sind.

Die fünfköpfige Familie G. aus Wien lebt in einer Mietwohnung. Die Waschmaschine läuft fast täglich, meist am frühen Nachmittag oder in der Nacht. Aufgehängt wird die Wäsche dann nach Dienstschluss oder in der Früh. „Beim Kochen ist die Flexibilität eher gering“, erzählt Herr G. „Und bevor sich das Geschirr meterhoch stapelt, läuft der Geschirrspüler halt auch mal in der teuren Zeit.“ Im Durchschnitt zahlt die Familie sieben bis zehn Cent pro Kilowattstunde.
Familie Seidel lebt in einem eigenen Haus in Niederösterreich. Sie besitzt eine Photovoltaikanlage, hat einen Pool und ein E-Auto und richtet ihren Verbrauch „grob nach günstigen Zeiten aus“. Die Umstellung von einem fixen Tarif auf den dynamischen sei der Familie nicht schwergefallen. Im Schnitt habe man in den vergangenen Monaten 7,5 Cent/kWh bezahlt.

Familie Gutscher aus Tulln hat ein Haus mit PV-Anlage, Wärmepumpe und E-Auto. Sie setzt voll auf ein Smart-Home-System, das Stromverbraucher im Haushalt intelligent steuert. Durch Kombination mit einem Batteriespeicher ist man beim Betrieb von Haushaltsgeräten zeitlich relativ unabhängig. „Ohne Smart-Home-System wäre die Nutzung von dynamischen Tarifen zwar auch möglich und sinnvoll, aber mit mehr Arbeitsaufwand verbunden“, sagt Herr Gutscher. „Unser Energieverbrauchsalltag hat sich wenig geändert.“

Extremwerte eher selten

Auf welche Preise im Verlauf des nächsten Tages man sich beim Verbrauch einstellen muss, das kontrollieren die meisten Floater-Tarif-Nutzer im Internet oder per App. „Man entwickelt mit der Zeit auch ein Gefühl dafür, wenn grundsätzlich günstige Zeiten sind. Sonntage und Feiertage sind besonders günstig“, sagt Herr Z.

Zu manchen Stunden komme man als Floater-Nutzer in den Genuss von Negativpreisen. Das bedeutet, man erhält sogar Geld dafür, dass man reichlich vorhandenen Strom verbraucht. Einmal sei der Strompreis bei minus 40 Cent gelegen, berichtet Familie G. Ausreißer gibt es aber auch noch oben. „Wir hatten mal für zwei Stunden 70 Cent/kWh, aber da bekamen wir im Voraus sogar eine Informations-eMail“, sagt Werner Seidel.

Familie G. hat sich für den dynamischen Stromtarif entschieden, weil sie etwas zur Energiewende beitragen wollte. Familie Seidel entschied sich aufgrund der Empfehlung eines Freundes dafür.

Bei den Familien Gutscher und Z. standen wirtschaftliche Überlegungen im Fokus und Berechnungen wurden angestellt. „Für mich hat sich herausgestellt, dass die Fixpreistarife beim Strom allesamt eher auf der sicheren Seite für die Anbieter kalkuliert sind“, sagt Herr Z.

Für wen es sich eignet

Werner Seidel kommt zum selben Schluss: „Ich empfehle den Tarif eigentlich allen, weil man langfristig immer billiger kommt. Man spart sich die Absicherungskosten der Energieversorgungsunternehmen.“ Herr Z. vermutet, „dass wahrscheinlich 95 Prozent der Privathaushalte mit einem Floater besser aussteigen.“ Wenn man absolute Preissicherheit brauche, dann eigne sich ein Floater nicht.

Für Familie Gutscher ist ein Floater-Tarif empfehlenswert, wenn Großverbraucher wie Wärmepumpe oder E-Auto und ein Stromspeicher vorhanden sind, „idealerweise integriert in ein Smart-Home-System“. Interessierten müsse das Risiko von schwankenden Strompreisen bewusst sein, das nicht der Energieversorger wie bei fixen Tarifen glätte.
Familie G. würde dynamische Strompreise auch empfehlen, „aber es wäre schön, wenn die Anbieter auch eine einfachere Variante anbieten würden, mit zwei Preisen pro Tag. Einen für die Stoßzeit, einen für die schwächeren Zeiten. Das würde auch Leute abholen, die nicht täglich am Handy die Preise nachschauen wollen.“

Anbieter

Der bekannteste ist Awattar. Das 2014 gegründete Unternehmen hat zunehmend Konkurrenz, u. a. von Smart Energy, Spotty, Erste Energie, AAE Naturstrom, TullnEnergie, Energie Steiermark

EPEX Spot

Europäische Strombörse mit Sitz in Paris, an der auch Austrian Power Grid beteiligt ist. Sie erledigt das Day-Ahead-Geschäft für viele europäische Länder. Mittels Auktion werden dabei Preise für kurzfristigen Stromgroßhandel (Spotmarkt) am Folgetag festgesetzt

Geschäftsmodell

Floater-Anbieter verrechnen meist eine Grundgebühr und einen kleinen Aufschlag auf den EPEX-Spotpreis

Kurier