Photovoltaik: Wer nun Geld zurückbekommen könnte

31. Oktober 2024, Wien

Höchstgericht. Müssen Betreiber großer PV-Anlagen ein zweites Mal für den Netzzutritt zahlen? Darüber hat der OGH entschieden.

Die eigene Photovoltaikanlage auf dem Betriebsgelände: Dafür entscheiden sich immer mehr Unternehmen. Aber dürfen Netzbetreiber dann neuerlich ein Netzzutrittsentgelt verlangen? Nur deshalb, weil ein Strombezieher (auch) zum Energieerzeuger wird und den nicht selbst verbrauchten Strom ins öffentliche Stromnetz einspeist?
Das war bislang strittig. Ende September hat es der Oberste Gerichtshof entschieden – und zwar zugunsten betroffener Unternehmen (1 Ob 85/24). Im Anlassfall ging es um den Flughafen Wien. Dieser hatte 2022 zwei Photovoltaikanlagen in Betrieb genommen, mit einer Nennleistung von insgesamt 16.704kW, wie es in der OGH-Entscheidung heißt. Überschüsse werden seither ins Netz eingespeist, die bestehende Leitungsanlage und der vorhandene Netzanschluss reichen dafür aus. Trotzdem schrieben die Wiener Netze dem Flughafen nochmals ein Zutrittsentgelt vor, dem Vernehmen nach rund eine Million Euro.

„Erstmalige Herstellung“

Der Flughafen akzeptierte das nicht – und setzte sich damit nun endgültig durch. Wie schon die Unterinstanzen, und zuvor auch die E-Control im Schlichtungsverfahren, kam auch der OGH zum Schluss, dass nicht neuerlich für den Netzzutritt bezahlt werden muss, wenn bereits ein Anschluss vorhanden ist, mit dem auch für die Einspeisung des selbst erzeugten Stroms das Auslangen gefunden wird.

Nun ist der Gesetzeswortlaut in dem Punkt ziemlich eindeutig: „Durch das Netzzutrittsentgelt werden dem Netzbetreiber alle (…) Aufwendungen abgegolten, die mit der erstmaligen Herstellung eines Anschlusses an ein Netz oder der Abänderung eines Anschlusses infolge Erhöhung der Anschlussleistung eines Netzbenutzers unmittelbar verbunden sind“, heißt es im Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG, § 54 Abs. 1). Und weiter: „Das Netzzutrittsentgelt ist einmalig zu entrichten und dem Netzbenutzer auf transparente und nachvollziehbare Weise darzulegen.“

Damit sollte klar sein, dass nur bei der erstmaligen Errichtung oder Erweiterung eines Netzzugangs ein Entgelt fällig wird. Dennoch schrieben einige Netzbetreiber bisher auch beim Start der Stromeinspeisung aus großen Erzeugungsanlagen ein pauschales Entgelt vor. Und zwar unabhängig davon, ob der bisherige Netzanschluss dafür ausreichend war oder nicht. Sie stützten sich dabei auf Regelungen, die im Zuge des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespakets ins ElWOG aufgenommen wurden und das Zutrittsentgelt für Erneuerbare konkretisieren.
„Die Streitfrage war, ob es sich dabei um eine Konkretisierung der Höhe oder dem Grunde nach handelt“, sagt Rechtsanwalt Christian Schneider, der bei BPV Hügel die Praxisgruppe Öffentliches Recht leitet, zur „Presse“. Er hat die Entscheidung für den Flughafen erwirkt. Alle Instanzen seien zum Ergebnis gekommen, „dass sich am Grundtatbestand nichts ändert“, sagt Schneider. Auch die Sonderregelung für Kleinerzeuger, wonach für PV-Anlagen mit einer Engpassleistung bis 20kW, die über einen bestehenden Anschluss ans Netz gehen, nie ein zusätzliches Zutrittsentgelt anfällt, lässt demnach nicht den Umkehrschluss zu, dass Betreiber größerer Anlagen immer nochmals zahlen müssen.

Kunden tragen die Mehrkosten

Tatsache ist freilich, dass den Netzbetreibern allein schon durch die Einspeisung von zusätzlichem Strom Mehrkosten entstehen, vor allem für die Schaffung der nötigen Netzkapazitäten. Der Gesetzgeber habe sich jedoch dafür entschieden, dass diese Kosten – über das Netzbereitstellungsentgelt und das Netznutzungsentgelt – von den Stromentnehmern getragen werden sollen, hielt das Höchstgericht dazu fest. Anders gesagt: Dafür zahlen alle Stromkunden. Das geplante neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) soll auch das neu regeln, liegt jedoch derzeit auf Eis. Umso bedeutsamer ist die richtungweisende OGH-Entscheidung.

Aber werden sich tatsächlich, wie teils bereits kolportiert, zahllose PV-Anlagenbetreiber nun Geld zurückholen können? „Entscheidend ist in jedem Einzelfall, ob die Herstellung oder Erweiterung eines Netzanschlusses erforderlich war oder eben nicht“, sagt Harald Strahberger, Rechtsanwalt bei Wolf Theiss, der ebenfalls bereits gleichlautende Entscheidungen beim LG und OLG Linz erwirkt hat. Der OGH habe eine wichtige Klarstellung getroffen, betont Strahberger. Die Zahl der Fälle, in denen Geld zurückverlangt werden kann, werde dennoch kaum mit den Dimensionen von Massenklagen vergleichbar sein. meint er. Vor allem auch, weil Kleinerzeuger, etwa Privathaushalte mit Solarmodulen auf dem Hausdach, von den doppelt verrechneten Zutrittsentgelten von vornherein nicht betroffen sind.

Betreiber großer Anlagen, die zu Unrecht zweimal zur Kasse gebeten wurden, dürften indes gute Chancen haben, Geld zurückzubekommen. Und zwar auch dann, wenn sie nicht unter Vorbehalt gezahlt haben, sagt Schneider. „Sie haben die Zahlung rechtsgrundlos geleistet“, für den Anspruch auf Rückzahlung kommt es dann darauf an, ob ein Irrtum vorlag oder ob man wissentlich eine Nichtschuld bezahlt hat. Letzteres würde eine Rückforderung ausschließen, wird hier aber kaum der Fall sein.

Die Presse