Keine „Flugscham“: CO2-Ausstoß durch Privatjets steigt stark

8. November 2024, Wien/Kalmar
Der Protest lässt Privatjet-Benutzer kalt
 - Zeltweg, APA/MITJA KOBAL

Der Shopping-Trip nach London, Mailand oder New York wird auch in Zeiten des Klimawandels teils als Quasi-Menschenrecht angesehen. Das wird nicht nur per Billigflieger in Anspruch genommen. Besonders reiche Personen pflegen einen vielfach extrem CO2-intensiven Lebensstil, wie Studien zeigen. Wie groß der Treibhausgasausstoß des Jettens mit Privatflugzeugen ist, haben Forscher in einer neuen Arbeit untersucht. Ergebnis: Der Ausstoß geht munter nach oben, auch in Österreich.

Im Rahmen der im Fachmagazin „Communications Earth & Environment“ vorgestellten Studie analysierte das Team um Stefan Gössling von der Linnaeus University in Kalmar (Schweden) Transponder-Daten von Privatflugzeugen weltweit, die auf der Web-Plattform „ADS-B Exchange“ abrufbar sind. So wurden mehr als 18 Millionen Flüge mit 26.000 Privatflugzeugen zwischen den Jahren 2019 und 2023 berücksichtigt.

Die Wissenschafter konzentrierten sich auf Flugdaten von Jet-Typen, die typischerweise zur Beförderung sehr weniger Personen bzw. von Einzelpersonen genutzt werden, schlossen richtige Kleinflugzeuge aber aus. Der Auswertung in der Publikation zufolge liegt Österreich punkto Privatflugzeug-Dichte im vorderen Feld: Mit 2,94 solchen Flugzeugen pro 100.000 Einwohnern liegt man deutlich vor Deutschland (0,75), knapp hinter der bekanntlich bei Superreichen sehr beliebten Schweiz (3,76) bzw. ein Stück weit hinter den USA (5,45), in denen sich knapp 69 Prozent aller Privatjets tummeln. Das kleine Österreich kommt immerhin auf einen Ein-Prozent-Anteil.

Verknüpft wurden diese Daten mit dem durchschnittlichen Treibstoffverbrauch von 72 einschlägigen Flugzeugtypen. Zu berücksichtigen ist bei der Bewertung der Daten, dass der CO2-Ausstoß nur ein Drittel des Klimaeffekts beim Fliegen ausmacht – neben Faktoren wie Kondensstreifen sowie Stickoxid- und Wasserdampfemissionen.

Insgesamt legt die Auswertung nahe, dass im Untersuchungszeitraum der CO2-Ausstoß durch Privatflüge um fast die Hälfte gestiegen ist – die direkten Emissionen haben von 2019 bis 2023 um 46 Prozent zugelegt, von 10,7 auf 15,6 Millionen Tonnen CO2. Wohl gemerkt: In diesem Zeitraum kam der normale Linienflugverkehr aufgrund der Covid-19-Lockdowns zeitweise fast komplett zum Erliegen.

Das deutsche Science Media Center (SMC) hat angelehnt an die Methodik der Studie erhoben, wie hoch die Emissionen im deutschsprachigen Raum waren: Sie kommen auf insgesamt rund 0,05 Megatonnen für solche Flüge ausgehend von Österreich, auf circa 0,22 Megatonnen in Bezug auf Deutschland und rund 0,17 Megatonnen bei der Schweiz. Blickt man auf die Privatflug-Verkehr-Entwicklung über die Jahre, sieht man nur einen leichten Corona-Knick nach unten vom Jahr 2019 auf 2020 im DACH-Raum. Bereits im Jahr darauf lag der Ausstoß wieder in etwa auf Vor-Corona-Niveau und 2022 und 2023 bereits darüber. Vor allem von der Schweiz ausgehend legten die Emissionen durch Privatjets massiv zu. Für Studien-Erstautor Gössling sind die Zusatzauswertungen des SMC für Österreich, Deutschland und die Schweiz nachvollziehbar und entsprechen der Methodik in der Publikation, wie er gegenüber der APA erklärte.

Weltweit sehe man mit Blick auf die Corona-Jahre, dass „der private Flugverkehr im Prinzip nie aufgehört hat, sondern ist durch die Pandemie sogar noch attraktiver geworden“, so der Wissenschafter. Unterdessen seien in den vergangenen Jahren „viele Reiche noch viel reicher geworden“, was wiederum dazu beigetragen haben dürfte, dass der private Flugverkehr nochmals attraktiver wurde. Zum Vergleich: Nur 0,003 Prozent der Weltbevölkerung nutzen den Angaben zufolge Privatflugzeuge, allerdings ist deren CO2-Ausstoß mittlerweile für rund 1,8 Prozent der Emissionen der kommerziellen Luftfahrt verantwortlich.

Viele dieser Flüge seien höchst vermeidbar, argumentieren die Forscherinnen und Forscher: „In vielen Fällen scheint die private Luftfahrt das Auto aus Zeitgründen oder aus Bequemlichkeit zu ersetzen, wie der Anteil von 4,7 Prozent an sehr kurzen Flügen unter 50 Kilometer zeigt“, so das Team um Gössling, das sich auch einige Veranstaltungen mit Sogwirkung auf Superreiche genauer angesehen hat.

Rund um große sportliche, kulturelle oder politische Ereignisse war das Aufkommen von Privatflugzeugen demnach jeweils besonders hoch. Und es gibt interessante Muster: So waren von den 766 Privatflugzeugen, die in Zusammenhang mit den Filmfestspielen von Cannes (Frankreich) registriert wurden, 172 auch beim Weltwirtschaftsforum in Davos (Schweiz) zu finden. Von den 409 Privatmaschinen bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer 2022 in Katar waren 66 auch beim „Super Bowl“ 2023 in den USA und 96 bei der UN-Klimakonferenz (COP28) in Dubai zu finden.

„Um den wachsenden Klimaauswirkungen des Sektors Rechnung zu tragen, sind Regulierungen erforderlich“, lautet das Fazit des Teams um Gössling. „Die Reichen existieren außerhalb jeder Klimamoral, das legt zumindest die Emissionsstatistik nahe“, erklärte er gegenüber der APA. Wie in vielen Bereichen der Gesellschaft gelte auch für sehr wohlhabende Menschen: „Freiwillig reduziert man seine Emissionen nicht. Wir brauchen daher eine Politik, die entsprechende Rahmenbedingungen schafft. Wenn ganz oben reguliert wird, dann wird auch für den gemeinen Bürger Klimapolitik viel akzeptabler. Das gilt aber eben auch im Umkehrschluss: Wenn die Reichen emittieren können, wie sie wollen, dann wird es Widerstände gegen Klimapolitik bei den Bürgern geben, die viel weniger emittieren.“

Service: https://doi.org/10.1038/s43247-024-01775-z

APA/dpa