Energiegemeinschaften sollten Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, grüne Energie regional und nachhaltig zu teilen. Doch was passiert, wenn ein Landesenergieversorger plötzlich groß in dieses Geschäft einsteigt?
Wer als junger Mensch mit wenig Geld um die Welt reisen wollte, kannte das Problem: Wie finde ich in einer fremden Stadt eine günstige Unterkunft und kann dabei auch noch Gleichgesinnte kennenlernen? Airbnb fand die Lösung und begeisterte damit sofort Millionen von Jugendlichen. Was als Couchsurfingplattform begann, hat den Tourismus revolutioniert, wenige Jahre später aber auch für massive Wohnprobleme in städtischen Zentren gesorgt.
Eine solche Revolution, diesmal im Energiemarkt, kündigte Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) im Burgenland an. In der Tat hat das, was da präsentiert wurde, das Potenzial, die österreichische Energiewirtschaft ordentlich durchzuschütteln. Die Idee ist an sich ganz einfach:
Eine dem Land nahestehende Rechtsanwaltskanzlei gründet eine Energiegemeinschaft, den „Fanclub Burgenland energieunabhängig“, an der alle Menschen, die im Burgenland wohnen, teilnehmen können. Die landeseigene Burgenland Energie verpachtet dann einen Teil ihrer Wind- und Solarkraftwerke langfristig an diese Energiegemeinschaft und stellt den Strom daraus ihren Mitgliedern zum Fixpreis zur Verfügung. So sollen die Burgenländerinnen und Burgenländer langfristig zu günstigem Strom aus Sonne und Wind kommen. Burgenland Energie liefert dazu den Reststrom, wenn Wind und Sonne einmal nicht verfügbar sind.
Drei ernste Probleme
Das wirkt auf den ersten Blick innovativ und überzeugend. Bei näherer Betrachtung zeigen sich aber drei ernste Probleme:
Erstens: Die Ursprungsidee von Energiegemeinschaften war es, Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeiten zu geben, die Überschussenergie ihrer Photovoltaikanlage an Gleichgesinnte in der Region weiterzugeben, also grüne Energie gemeinsam möglichst regional zu nutzen. Um diese Idee der „Bürgerenergie“ zu wahren, sieht die Energiegesetzgebung strenge Regeln vor, wer in einer solchen Gemeinschaft das Sagen hat, nämlich ihre Mitglieder.
Wenn die Sonne scheint
Dass ein Landesenergieversorger auf die Idee kommen könnte, seine Kunden mehr oder weniger kollektiv an eine solche Bürgerenergiegemeinschaft auszulagern, daran hat in der Gesetzwerdung wohl keiner gedacht. Im konkreten Fall sehen die Statuten des besagten Vereins eine Beschränkung des passiven Wahlrechts der Mitglieder der Energiegemeinschaft vor, das Sagen soll in der Praxis dann offensichtlich nicht die Gemeinschaft, sondern vermutlich direkt oder indirekt das Land Burgenland haben.
Zweitens sind Energiegemeinschaften in puncto Verbraucherschutz gar nicht auf eine echte Versorgung von Bürgerinnen und Bürgern ausgelegt. Es ist aus Verbrauchersicht etwas grundlegend anderes, ob ich einen kleinen Teil meines Stroms in einer Gemeinschaft teile oder ob ich einen substanziellen Anteil des Strombedarfs aus großen Photovoltaik- und Windkraftanlagen eines Landesenergieversorgers beziehe.
Die Mitglieder des Fanclubs Burgenland energieunabhängig werden in dem Glauben gelassen, dass sie den Strom in der Energiegemeinschaft dauerhaft günstig einkaufen. Das mag langfristig so sein, derzeit beziehen sie den Strom aber in vielen Stunden teurer als bei ihrem klassischen Versorger, weil der Strom am Großhandelsmarkt oft gerade dann billiger ist, wenn die Sonne scheint und der Wind weht.
Und der Wettbewerb?
Drittens muss man sich die Frage stellen: Was passiert, wenn das – wie bei Airbnb – plötzlich alle machen? Führt das die Idee der „Bürgerenergie“ ad absurdum? Was bedeutet das für die Rolle der Energieversorger, verkümmern diese gar zum Lieferanten des teuren Reststroms? Und was bedeutet das letztlich für den Wettbewerb am Strommarkt?
Wir haben aus der Erfahrung mit Airbnb gelernt, dass man Fehlentwicklungen infolge von plötzlich auftretenden Marktinnovationen nur mit genauer Beobachtung und laufender Nachbesserung der Regulierung entgegentreten kann. Dabei muss es das Ziel sein, Innovation für die Bürgerinnen und Bürger zuzulassen und gleichzeitig die ursprünglichen Zielsetzungen im Auge zu behalten. Hier sind jetzt das Energieministerium, der Regulator E-Control und die Verbraucherverbände gefordert.
Lukas Stühlinger ist Geschäftsführer von Fingreen, einem Beratungsunternehmen zur Finanzierung von Energie- und Umweltprojekten. Zuvor war er Vorstand der rein erneuerbaren Strom erzeugenden Oekostrom AG.
Der Standard