Nach US-Sanktionen gegen die Gazprombank befürchten mehrere Länder einen Gaslieferstopp aus Russland.
Ausgerechnet jetzt, zu Beginn des Winters, gibt es Fragezeichen über der Gasversorgung in Südosteuropa. Der Türkei, Griechenland und einer Handvoll Ländern in Osteuropa drohen Engpässe. Der Grund: Die USA haben Sanktionen gegen die Gazprombank verhängt. Damit können die Länder nicht mehr für russische Gaslieferungen bezahlen. Sie müssen damit rechnen, dass Moskau ihnen den Gashahn zudreht. Die Gazprombank war das letzte große russische Finanzinstitut, das bisher von Strafmaßnahmen ausgenommen war. Mit der Ausnahme wollte die Biden-Regierung die Energieversorgung einiger mittel- und osteuropäischer Staaten sicherstellen, die noch größere Mengen von Pipelinegas beziehen. Dazu gehören neben der Türkei auch Griechenland, Bulgarien, Ungarn, die Slowakei und Serbien. In Griechenland bereitet sich der staatliche Gasversorger Desfa auf einen möglichen Lieferstopp vor. Das Land bezog in den ersten zehn Monaten dieses Jahres 59,1 Prozent seiner Erdgasimporte aus Russland. Das Gas kommt über die Turkstream-Pipeline, die von Russland durch das Schwarze Meer in die Türkei verläuft und sich nach Griechenland und Bulgarien verzweigt.
Noch ist unklar, welche Konsequenzen die Sanktionen für Griechenland haben. Man prüfe die Auswirkungen, heißt es bei Desfa. Beim Lieferstopp müsste das Unternehmen mehr Flüssigerdgas importieren, um die Versorgung sicherzustellen. Die Terminalkapazitäten dafür sind zwar vorhanden. Aber fraglich ist, wie schnell sich zusätzliche Lieferungen organisieren lassen. Griechenland verfügt über ein LNG-Terminal auf der Insel Revithoussa bei Athen und eine schwimmende Regasifizierungsanlage vor der Hafenstadt Alexandroupolis. Beide Terminals sind nicht ausgelastet, denn das russische Pipelinegas ist billiger als LNG. Ein Wegfall der Pipeline-Lieferungen würde zu steigenden Preisen führen. Überdies ist offen, ob sich Griechenland in kurzer Zeit zusätzliche LNG-Lieferungen sichern kann. Da das Land nicht über größere Erdgasspeicher verfügt, könnten Engpässe drohen.
Ungarns Außenminister Péter Szijjártó kritisierte die Sanktionen. Sie gefährdeten die Energiesicherheit einiger mitteleuropäischer Länder, sagte er. Man werde, wenn nötig, mit dem russischen Gaslieferanten sprechen, um die Energieversorgung sicherzustellen, teilte das Ministerium in Budapest mit.
Die Türkei verhandelt derweil mit den USA über eine Ausnahmeregelung. Das Land bezog im Vorjahr 42 Prozent seiner Gasimporte aus Russland. Der türkische Energieminister Alparslan Bayraktar sagte, andernfalls werde sein Land nicht in der Lage sein, für das Gas zu bezahlen. Für die Türkei geht es nicht nur um die eigene Versorgung. Präsident Recep Tayyip Erdoğan und Kremlchef Wladimir Putin wollten die Türkei zum Knotenpunkt für Gaslieferungen ausbauen. Dazu plant Russland neue Pipelines durch das Schwarze Meer. Von der Türkei aus soll das Gas über bestehende Leitungen nach Osteuropa fließen. Wenn die Ukraine 2025 den Transit einstellt, könnte das für Russland der einzige Weg sein, noch Gas in die EU zu exportieren.
von Gerd Höhler
Salzburger Nachrichten