Ein Geheimpapier der WKO adressiert das ÖVP-Team in den laufenden Koalitionsverhandlungen. Zu den No-Gos zählt unter anderem das Festhalten an ehrgeizigen Klimazielen.
Das Dokument ist nur zwei Seiten lang, dürfte aber für viel Gesprächsstoff in der Unternehmerszene sorgen. Es richtet sich an das ÖVP-Team der laufenden Koalitionsverhandlungen und wurde dem STANDARD aus einer gut informierten, verlässlichen Quelle zugespielt. Es handelt sich offenbar um den Forderungskatalog der Wirtschaftskammer an die künftige Regierung.
Die Wirtschaftskammer lässt Fragen zum Dokument unbeantwortet. „Die laufenden Regierungsverhandlungen und ihre Inhalte kommentieren wir generell nicht, egal in welcher Form“, heißt es aus der Kammer nur knapp. Viel ergiebiger ist, was die Kammer nicht schreibt: Sie dementiert die Existenz des Dokuments in ihrer Stellungnahme nicht.
Mehrere rote Linien
Die Verfasser ziehen im Dokument mehrere rote Linien für die künftige Klimapolitik. Unter „No Gos“ listen sie etwa das „Festhalten am Ziel Klimaneutralität 2040“ auf. Damit wackelt das zentrale Vorhaben, auf das sich die türkis-grüne Koalition im Jahr 2020 geeinigt hat, zehn Jahre früher als der Rest der EU klimaneutral zu werden.
Die Abschaffung der klimaschädlichen Förderungen gilt ebenfalls als „No Go“. Diese haben Grüne und ÖVP allerdings bereits im Nationalen Energie- und Klimaplan vereinbart. Den Plan musste die Republik heuer der EU übermitteln, um Brüssel klarzumachen, wie Österreich das von der EU vorgegebene nationale Klimaziel erfüllen will. Ohne die Streichung der klimaschädlichen Subventionen wird Österreich das EU-Ziel laut derzeitigem Plan verfehlen.
No-Go Gas-Ausstieg
Ein drittes No-Go in dem Dokument: ein rascher „Ausstieg aus russischem Gas“. Das könnte vor allem für die Neos zum Reizthema werden, die sich immer wieder für einen schnellen Ausstieg starkgemacht haben.
Die Richtung, die das Dokument insgesamt zeichnet: Österreich solle keine Vorreiterrolle mehr im Klimaschutz anstreben, sondern nur noch die vorgegebenen Mindeststandards der EU erfüllen. So soll Österreich die „Energiesteuern auf EU-Mindestniveau senken und neue Energiesteuern vermeiden“. Sobald die EU ihren Emissionshandel ausweitet – das wird 2027 der Fall sein –, soll hierzulande die nationale CO2-Bepreisung abgeschafft werden. „Kein gold plating!“, heißt es im Papier, also kein höherer CO2-Preis als vorgegeben.
Weniger Geld soll es für die Erneuerbaren geben. „Ziel ist es mehr Erneuerbare mit weniger Förderkosten auszubauen.“ Hingegen sollen die „finanziellen Mittel für Wasserstoffförderung“ beibehalten werden. Auf Wasserstoff setzt die Industrie, darunter auch der fossile Konzern OMV. Die Autoren des Papiers wollen keine „Vergünstigungen für rein biogene Kraftstoffe“, stellen aber fest: „Wir wollen Vergünstigungen für klimaneutrale Kraftstoffe.“ Unter diesem Begriff bewirbt die fossile Wirtschaft E-Fuels, einen sehr teuren und aufwendig herzustellenden Treibstoff.
Alt gegen Neu
Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des Dachverbands Erneuerbare Energie Österreich, betrachtet das Papier als Lobbying zugunsten der „alten Wirtschaft“ zulasten der „neuen Wirtschaft“. „Dieses Einzementieren von Bestehendem schädigt den Wirtschaftsstandort nachhaltig“, kritisiert sie. Für die Firmen im Erneuerbaren-Sektor finde sich nur wenig im Papier – etwa eine Forderung nach Verfahrensbeschleunigung von Erneuerbaren-Projekten oder die Förderung für Geothermie. „Da wird nur ein kleines Segment bedient“, kritisiert Prechtl-Grundnig.
Der Standard