Energie. Die OMV hat ihren Vertrag mit Gazprom gekündigt, die Ukraine will den Gastransit stoppen. Wasserstoff ist noch nicht so weit. Das könnte zu Problemen führen, warnt Experte Johannes Benigni
Die OMV hat am Mittwoch ihren Liefervertrag mit Gazprom gekündigt. Auf direktem Weg erhielt der Konzern ohnehin schon seit Mitte November kein Gas mehr vom russischen Partner, der durch eine Klage vergrault worden war. Russisches Gas fließt unterdessen weiterhin nach Österreich, wenn auch eventuell nicht mehr lange. Die Ukraine will ab Jänner einen Transitstopp durch seine Pipelines verhängen.
Wie offizielle Stellen von Bundeskanzler Karl Nehammer abwärts betonen, werde das keine unmittelbare Bedrohung für Privat- und Geschäftskunden darstellen. Die heimischen Speicher seien prall gefüllt. Zu sehr in Sicherheit wiegen sollte man sich deswegen aber nicht, sagt Energieexperte Johannes Benigni. Er vermisst einen großen Plan, wo Energie künftig herkommen soll.
Versorgungslücke
Erdgas ist heute noch in vielen Bereichen unverzichtbar, etwa für das Heizen von Gebäuden, für Industrieprozesse und für die Stromerzeugung. Erneuerbare Energien werden massiv ausgebaut, können den Strombedarf aber nicht zu jeder Zeit decken. In den kommenden Jahren soll Österreichs Stromverbrauch stark steigen. Im Bemühen, von fossilen Rohstoffen wegzukommen, wird die Elektrifizierung vorangetrieben, etwa durch E-Autos statt Verbrennern und Wärmepumpen statt Öl- oder Gasheizungen.
Für die Energieversorgung bis ins Jahr 2030 gibt es einen genauen Fahrplan, bis 2040 wird sich jedoch eine große Versorgungslücke auftun. Es muss Importe geben.
Schauen, wo man bleibt
Durch Klimaschutzbemühungen werde es anderen Ländern kaum besser als Österreich ergehen. „Jedes Land hat sich sein Energieportfolio zur Brust genommen. Überall wird darauf geachtet, CO₂-Emissionen zu senken und dennoch seinen Energiebedarf zu decken.“ Für saubere Energie als knappes Gut werde „überall ein gewisser Nationalismus einkehren“, ist Benigni überzeugt.
Die Umwandlung von Strom in Wasserstoff und dessen Speicherung soll viele Probleme lösen. Das Gas habe laut Benigni eine „Wunderwuzzi“-Rolle, seine Herstellung sei allerdings sehr energieaufwendig.
Rund um Wasserstoff gibt es derzeit sehr viele Projekte, von der Produktion bis zur Infrastruktur. Woran es mangle, sei allerdings ein „Market Maker“, eine Stelle, die all die fragmentierten Pläne verbindet.
Bei großen Energieprojekten werde üblicherweise die gesamte Lieferkette geplant, um das Risiko für alle Beteiligten zu minimieren. „So funktioniert die Energieindustrie. Mit Wasserstoff haben sie nur Risiko.“
Es gibt Ideen dazu, wo Wasserstoff künftig in großen Mengen produziert werden soll, etwa durch Windenergie in der Ukraine oder in Chile, oder durch Solarenergie in Nordafrika. Dazu brauche es aber einen politischen Plan und den Willen, die damit verbundenen Risiken zu stemmen. Noch sei solch ein Plan aber nicht absehbar.
Mehr Tauziehen
Für Unternehmen sei dies fatal, sagt Benigni. Sie säßen zwischen der Anforderung, Emissionen zu reduzieren, und mangelnden Alternativen zu Erdgas. Das erzeuge ein Klima der Hoffnungslosigkeit. Erdgas werde laut dem Experten künftig wohl teurer werden, wegen des Wegfalls der russischen Lieferroute nach Europa und verstärktem Handel an Gasbörsen.
Für die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen auf internationaler Bühne sei dies eine schlechte Nachricht. Sie litten ohnehin schon darunter, dass die Energiekosten in den USA oder China niedriger sind. „In Österreich haben wir den strategischen Fehler gemacht, dass wir eine Gasquelle hatten, eine Transitroute und einen Großimporteur. Man muss daraus lernen und sich in Zukunft diversifiziert aufstellen.“
Benigni rät zu einer „Ein-Drittel-Strategie“: Bei der Versorgung mit einem Rohstoff wie Erdgas solle das Land maximal ein Drittel des Gesamtbedarfs von einem einzelnen Akteur decken lassen. Nur dadurch käme man in eine Position, einen Ausfall ersetzen zu können. Derzeit habe das Land keinen freien Handlungsspielraum.
Kurier