
Der Premier und seine Regierung in Bratislava wollen nach Stopp für Gastransit aus Russland wichtige Stromlieferungen in die Ukraine kappen, auf die das Land angesichts von Blackouts bitter angewiesen ist. Präsident Wolodymyr Selenskij ist erbost über den westlichen Nachbarn.
So konfrontativ ist nicht einmal Viktor Orbán im Fall der Ukraine vorgegangen: „Wenn die Ukraine den Gastransit aus Russland stoppt, rächen wir uns“, droht der slowakische Premierminister Robert Fico Kiew im Streit um russische Gaslieferungen durch die Ukraine. „Wenn es nicht anders geht, kappen wir die Stromlieferungen, die die Ukraine wegen der Blackouts so dringend braucht.“
Der Lieferstopp der Slowakei soll am 1. Jänner in Kraft treten. Denn pünktlich zum Jahreswechsel läuft der ukrainisch-russische Gastransitvertrag von 2020 aus. Kiew hat bereits im Frühling angekündigt, den Vertrag mit seinem Angreifer nicht mehr zu erneuern.
Russlands Gaslieferungen in die Slowakei und weiter nach Westeuropa finanzieren nämlich Hunderte Drohnen und Raketen, die Moskau jede Nacht auf die Ukraine abfeuert, um dort die zivile Energie-Infrastruktur zu zerstören und das Land in den totalen Blackout zu bombardieren. Damit soll die Moral der Ukrainer untergraben und das Volk zur Kapitulation gezwungen werden.
„Zweite Energiefront“
„Fico eröffnet eine zweite Energiefront gegen die Ukraine“, kommentierte Präsident Wolodymyr Selenskij bitter. Der slowakische Regierungschef mache dies auf Kosten der Slowaken selbst, denn diese verdienten 200 Millionen Euro pro Jahr mit ihren Stromlieferungen an das östliche Nachbarland Ukraine. In der Tat ist die kleine Slowakei mit 19 Prozent Anteil der drittwichtigste Stromlieferant der Ukraine – nach Ungarn und Rumänien.
Laut Selenskij geht es dem pro-russischen, linkspopulistischen Premier der Slowakei neben einem Freundschaftsdienst für Wladimir Putin vor allem auch ums Geld. Die Slowakei hat nämlich bisher rund eine halbe Milliarde Euro pro Jahr mit der Weiterleitung des russischen Erdgases nach Westeuropa verdient.
Kommt das Gas nicht mehr aus der Ukraine an, weil der Gastransitvertrag mit dem russischen halbstaatlichen Energiemonopolisten Gazprom ausgelaufen ist und durch Kiew nicht mehr erneuert wird, kann die Slowakei auch kein Gas mehr im Transit weiterleiten. Dazu versiegt die Quelle billigen russischen Erdgases für die Slowakei.
Obwohl schon seit Monaten bekannt, hat die Regierung in Bratislava offenbar auf eine Einigung in letzter Minute gehofft. Fico soll Selenskij noch Mitte Dezember einen Kompromiss angeboten haben. Demnach sollte Erdgas aus Aserbaidschan (statt Russland) via ukrainische Transitroute in die Slowakei geleitet werden. Auch der Aufkauf des russischen Erdgases durch EU-Zwischenhändler an der russisch-ukrainischen Grenze, das danach in die Slowakei transportiert würde, wurde von Fico ins Spiel gebracht.
Beiden Kompromissvorschlägen verweigerte sich Kiew bisher, obwohl auch neue Transiteinnahmen der wegen des russischen Angriffskriegs verarmten Ukraine lockten. Die Ukraine handelt offenbar beim Gas nach der Maxime: „Kein Handel mehr mit unserem Angreifer.“
Russland reagiert zufrieden. Denn durch den ukrainischen Transitstopp bindet Moskau nicht nur die Slowakei, sondern auch Ungarn noch stärker an sich. Beide EU-Mitglieder haben es unterlassen, ihren Gas-Import zu diversifizieren. Sie sind immer noch hochgradig von russischem Gas abhängig. Während Ungarn das russische Gas auch via russisch-türkische Turkstream-Pipeline importieren kann, bleibt der Slowakei vor allem der Import des viel teureren Erdgases aus Norwegen.
In seiner Not ist Fico deshalb jüngst sogar zu Putin nach Moskau gepilgert. Dort hat er den russischen Präsidenten um Hilfe bei den Gaslieferungen gebeten, die Ukraine wegen ihrer Nato-Pläne kritisiert und Bratislava als Austragungsort künftiger Friedensverhandlungen zwischen Moskau und Kiew angepriesen. „Wir wollen nur den Frieden“, schrieb Fico danach in den sozialen Medien.
Viele hatten sich indessen bereits zu Protesten vor Ficos Amtssitz versammelt. Steigen die Gaspreise 2025 massiv und verliert Fico das Vertrauen, könnten gar Neuwahlen fällig werden.
Papst-Reise 2025 nach Kiew?
Papst Franziskus habe indessen eine Einladung zu einemUkraine-Besuch 2025 angenommen, aber eine Reise des Pontifex in das kriegsgebeutelte Land sei nicht bestätigt. Dies betonte der Großerzbischof von Kiew, Swjatoslaw Schewtschuk, in einem Interview für „Radio Free Europe“. Der griechisch-katholische Primas erklärte, es gebe noch kein festes Datum für den Besuch. „Aber Papst Franziskus sorgt manchmal gern für Überraschungen.“
Wenn die Ukraine den Gastransit aus Russland stoppt, rächen wir uns. Robert Fico Slowakischer Premier
von unserem Korrespondenten Paul Flückiger
Die Presse