Darf ein Bundesland neue Windparks verbieten?

23. Jänner 2025, Wien

Energie. Die Volksbefragung in Kärnten ging für ein Verbot weiterer Windparks in dem Bundesland aus. Aber wäre ein Totalverbot neuer Projekte rechtlich überhaupt möglich? Und um welche Regelungen geht es da?

Keine neuen Windräder mehr in einem ganzen Bundesland – geht das? Seit rund eineinhalb Wochen wird darüber gestritten. Am 12. Jänner – just an dem Tag, an dem bei der Windstromerzeugung in Österreich wieder einmal ein neuer Rekord erzielt wurde – sprach sich bei einer Volksbefragung in Kärnten eine knappe Mehrheit gegen Windkraft aus. „Zum Schutz der Kärntner Natur einschließlich des Landschaftsbildes“ soll demnach „auf Kärntner Bergen und Almen“ die Errichtung weiterer Windkraftanlagen landesgesetzlich verboten werden.

Aber welches politische Gewicht hat das? Darüber sind die Ansichten geteilt. Während der Chef der Kärntner FPÖ, Erwin Angerer, einen Dringlichkeitsantrag für den Landtag ankündigte, wonach neu eingereichte Windkraftprojekte „nach einer neuen Rechtslage abzuhandeln“ seien, sprach ÖVP-Landesrat Sebastian Schuschnig von einem bloßen „Stimmungsbild“. Das noch dazu „zwei annähernd gleich große Seiten“ ergeben habe. Zur Erinnerung: Bei einer Beteiligung von unter 35 Prozent sprachen sich 51,55 Prozent für das Verbot aus.

Verstoß gegen Unionsrecht

Und in rechtlicher Hinsicht? Auch darüber lässt sich sichtlich streiten. Die Kärntner FPÖ beruft sich auf ein Rechtsgutachten von Christoph Urtz, Professor am Institut für Öffentliches Recht an der Universität Salzburg. Demnach bestehe keine unmittelbare Pflicht Kärntens zum Ausbau der Windenergie. Weder die EU noch der Bund könnten diesbezüglich eingreifen, wurde Urtz von der APA zitiert. Bei einer Nichterfüllung der EU-Vorgaben durch Österreich insgesamt könne sich die EU nur an den Bund wenden, der dann prüfen müsse, wo man den Pflichten beim Erneuerbaren-Ausbau nicht nachkommt. Kärnten habe diese jedoch insgesamt bereits übererfüllt.
Ob das so zutrifft, könnte irgendwann zum Thema werden. Auf einem anderen Blatt steht, ob diese Argumentation reichen würde, um neue Projektwerber pauschal abzuschmettern. Denn um neuen Playern den Marktzugang zu verwehren, braucht es sachliche Kriterien.

Und da kommt dann doch wieder Unionsrecht ins Spiel. Christian Schneider, Rechtsanwalt und Privatdozent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Uni Wien, verweist auf zwei EU-Richtlinien, die hier von Bedeutung sind: die Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie, die unter anderem den Marktzugang regelt, und die Erneuerbare-Energie-Richtlinie (RED II bzw. RED III). Letztere bescheinigt dem Erneuerbaren-Ausbau ein „überragendes öffentliches Interesse“, das nimmt selbst Natura-2000-Gebiete nicht aus. Umso mehr müsste dieser Vorrang dann wohl auch in Landschaftsschutzgebieten mit niedrigerem Schutzstatus gelten. „Und es besteht eine Verpflichtung, ,Go-to-Areas‘ für erneuerbare Energien auszuweisen“, sagt Schneider.

In solchen ausgewiesenen „Beschleunigungsgebieten“ wird davon ausgegangen, dass sie sich besonders für Erneuerbaren-Projekte eignen und keine negativen Auswirkungen solcher Projekte auf die Umwelt zu erwarten sind. Das soll Genehmigungen erleichtern. Auch bei der Festlegung solcher Zonen gilt das Sachlichkeitsgebot. Ein Landesgesetz, das für ein ganzes Bundesland ein absolutes Verbot neuer Projekte normiert, wäre wohl unionsrechtswidrig, resümiert Schneider.

„Auch Rückbau ist möglich“

Landesweit, ohne Ausnahmen und Interessenabwägung, sei ein Verbot nicht möglich, hatte auch der Verfassungsdienst des Landes in einer ersten Reaktion konstatiert. Ähnliche Bedenken hatte Verfassungsexperte Peter Bußjäger bereits vor der Befragung geäußert. Diese seien jedoch erst im Nachhinein kommuniziert worden, sagte er am Mittwoch im Ö1-„Morgenjournal“. Und wenn trotz allem ein Totalverbot beschlossen werden sollte? Für diesen Fall verweist Schneider auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts.

Tatjana Katalan, Partnerin bei Dorda und Lehrbeauftragte für Verwaltungs-, Energie- und Umweltrecht an der FH Burgenland, hofft indes, dass doch noch ein Dialog gelingt. „Die Natur und die Landschaft schützen, wer möchte das nicht?“, sagt sie mit Blick auf die bei der Volksbefragung verwendete Formulierung. Dass auch beim Erneuerbaren-Ausbau „die Natur geschützt werden muss und es dafür ein gesetzliches Verfahren gibt“, sei womöglich noch zu wenig bekannt.

Dass RED III regional kleine Rückschritte beim Naturschutz in Kauf nimmt, räumt Katalan ein. Das sei jedoch nötig, um die Natur insgesamt zu schützen – dies sei ohne Klimaschutz gar nicht möglich. Dass das Thema jetzt intensiv diskutiert wird, vermerkt Katalan als positiven Effekt der Volksbefragung. „Die Energiewende ist vorgegeben“, Windkraft sei in diesem Bereich nur ein Teilaspekt, betont sie. „Und einen Windpark kann man auch wieder rückbauen“ – falls es künftig eine andere, bessere Alternative geben sollte.

Energieunabhängigkeit

Laut der IG Windkraft sind derzeit österreichweit drei Mrd. Euro Investitionen in dieWindkraftgeplant, die für 2000 Megawatt mehr Windstrom sorgen sollen. „Insgesamt können diese Windräder jährlich mehr als 8000 GWh Strom produzieren“, sagte IG-Windkraft-GeschäftsführerFlorian Maringer am Mittwoch vor Journalisten. Das entspreche der Hälfte des Ausbaus der vergangenen 25 Jahre. Es gehe dabei auch um die Energieunabhängigkeit Österreichs, betonte Maringer. „Egal woher fossile Energie kommt, sie kommt nicht aus Österreich.“

Ende 2024 gab es laut der IG Windkraft 1451 Windkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 4028 Megawatt. Das entspreche dem Verbrauch von 2,65 Millionen Haushalten. Noch viel größer sei die Bedeutung für die Industrie.
Gegen ein Verbot neuer Projekte in Kärnten führte die IG Windkraft übrigens auch österreichisches Verfassungsrecht ins Treffen: Die Landesgesetzgebung wäre demnach am bundesstaatlichen Rücksichtnahmegebot, am allgemeinen Sachlichkeitsgebot und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen. Der Verfassungsgerichtshof könnte das Gesetz als verfassungswidrig aufheben, ist man bei der Branchenvertretung überzeugt.

von Christine Kary

Die Presse