„Wir sollten das Windrad auf den 100-Euro-Schein drucken“

20. März 2025

Interview. Österreich müsse weniger Förderungen verteilen, dafür aber mehr Unternehmertum erlauben, sagt Ulrich Streibl, Chef der Ökostrom AG. Höhere Steuern brächten das Land „sicher nicht aus der Rezession“.

Die Presse: Die ersten Tage der neuen Regierung haben der Energiewirtschaft vor allem höhere Steuern gebracht. Ist das angesichts der budgetären Lage der Republik für Sie nachvollziehbar?

Ulrich Streibl: Nein. Es gibt in unserer Zeit drei zentrale Herausforderungen: Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze und Klimaschutz. All diese Ziele erreichen wir durch Investitionen in grüne Technologien. Stattdessen startet die Koalition ein massives Steuererhöhungsprogramm. Die Stromversorger müssen 200 Millionen Euro mehr bezahlen. Und da wir üblicherweise mit 80Prozent Fremdkapital arbeiten, bedeutet das eine Milliarde Euro weniger Geld für Investitionen. Dadurch entgehen uns in den kommenden fünf Jahren bis zu 25.000Jobs. All das ist wirtschaftlich und klimapolitisch ein Schuss ins Knie.

Welche konkreten Auswirkungen hat das auf Ihr Unternehmen? Gibt es Projekte, die nun nicht mehr realisiert werden können?

Wenn Kapital fehlt, kann die Erneuerbaren-Branche bestimmte Projekte nicht umsetzen. Banken sind ebenfalls zögerlicher mit der Finanzierung, wenn die Renditen durch neue Steuern sinken. Mit der neuen Steuerregelung wird ein Viertel der gesamten Gewinne unserer Branche abgeschöpft. Wenn wir aber weniger Windräder, weniger PV-Anlagen, weniger Wasserkraftwerke bauen, werden wir am Ende die Klimaziele nicht erreichen und dafür an die EU bezahlen müssen. Und die 200Millionen sind ja nicht alles. Plötzlich sollen Elektroautos eine Versicherungssteuer zahlen, während Dieselautos weiter mit Milliarden gefördert werden. Die Steuer auf kleine Solaranlagen wird erhöht. Auch die Abschaffung des Klimabonus ist eine Steuererhöhung, weil das ja als Kompensation für die CO2-Steuer gedacht war.

Dass es Sparmaßnahmen braucht, ist unbestritten. Hätte die Dreierkoalition einen anderen Weg wählen sollen?

Wenn der Staat sagt, wir brauchen mehr Geld für das Budget, versperren sich die Unternehmen sicher nicht dagegen. Aber nicht in einer Form, die alle Investitionen abwürgt. Die Regierung spricht von einem Einsparungsbedarf von 6,5 Milliarden Euro. Gleichzeitig gibt es klimaschädliche Subventionen im Umfang von fünf Milliarden Euro. Dort ist nicht ein einziger Euro angegriffen worden. Stattdessen setzt man auf höhere Steuern. Die bringen uns sicher nicht aus der Rezession. Das war ein echtes Foul am Wirtschaftsstandort Österreich.

Aber ist es nicht sinnvoll, Klimaförderungen effizienter einzusetzen? Selbst der Fiskalrat kritisiert, dass einige Klimaschutzmaßnahmen sehr teuer waren und wenig bewirkt haben. Können Sie dem als Unternehmenschef und betriebswirtschaftlich denkender Mensch nichts abgewinnen?

Doch, ich finde das sehr richtig, und ich bin froh, dass wir den Fiskalrat haben. Jede Förderung muss genau angesehen werden, ob es sie noch braucht. Es ist ja immerhin das Geld der Bürgerinnen und Bürger. Meine Meinung ist, dass wir weniger Förderungen, weniger Regulierung und viel mehr Unternehmertum brauchen. Das heißt weniger Bürokratie, weniger Steuern und mehr Grundvertrauen, dass Unternehmer gut sind. Die Stimmung gegenüber Unternehmern im Land und auch in der Regierung ist leider geprägt von einer Vorstellung, dass Unternehmen reguliert werden müssen und viele Steuern bezahlen sollen. In Wahrheit sind es aber die Unternehmen, die den Wohlstand schaffen.

Die Frage ist, welche Unternehmen das tun. International ist der Höhenflug der Green-Tech-Branche gerade vorbei. Ist die Klimarettung also doch nicht so ein gutes Geschäft wie gedacht?

Der Übergang zu einer grünen Wirtschaft ist unumgänglich. Selbst wenn die Stimmung aktuell gedämpfter ist als vor ein paar Jahren, bleibt der langfristige Trend klar: Wir müssen weg von fossilen Brennstoffen. Woher soll unser Wohlstand denn kommen? Von Öl, Gas und Kohle sicher nicht. Das sind sterbende Industrien. Die sterben vielleicht langsam, aber sie sterben. Die erneuerbare Energie, das ist eine aufstrebende Branche.

Solarmodule, Windräder, Batterien: Ein Großteil der Produkte, die wir für die Energiewende brauchen, kommt aus China. Welche Nische bleibt denn da für Europa und Österreich?

Wir werden in Österreich nie mit Technologien erfolgreich sein können, die auf fossiler Basis funktionieren. Denn in den USA kostet Gas ein Fünftel dessen, was es hier kostet. Und das wird auf absehbare Zeit so bleiben. Wir müssen also auf Green Tech setzen, und da stehen wir nicht schlecht da. Nehmen wir das Beispiel eines Windrads: Den Stahlturm werden andere Weltregionen billiger bauen können als Europa. Die Computerchips, die das Windrad steuern, fertigen wir aber in Österreich. Die Wälzlager, die da oben diese enormen Kräfte aushalten, die fertigen wir in Österreich. Die Kunststofftechnologie für die Flügel, die hoch belastet sind, wird in Europa entwickelt. In jedem Windrad steckt enorm viel europäische Intelligenz und damit auch enorm viel europäische Wirtschaftskraft. So entsteht Wachstum, so entstehen Arbeitsplätze. Wir sollten stolz darauf sein und das Windrad auf den 100-Euro-Schein drucken, statt darüber zu jammern, dass die Kraftwerke, die uns sauberen Strom bringen, auch in der Landschaft zu sehen sind.

Die EU lockert gerade viele Regularien aus dem Green Deal. Ist das die erhoffte Deregulierung oder doch eine schlechte Idee, weil es „grüne“ Regeln waren?

Ich bin froh, dass sich die EU besonnen hat, die Bürokratie zurückzufahren, und ich hoffe, dass das eine Fortsetzung auch in Österreich findet. Wir haben uns selbst in Europa bürokratische Systeme auferlegt, die so überbordend und so teuer sind, dass wir sie im internationalen Wettbewerb nicht halten können. Wir haben als Unternehmen eine sechsstellige Summe ausgegeben, um diese Berichtspflichten zu erfüllen. Und jetzt hat die EU sie abgeschafft. Das Geld ist weg, trotzdem bin ich froh, dass das so ist, weil sich gerade mittelständische Unternehmen wie wir aufs Geschäft konzentrieren sollten und nicht auf das Ausfüllen von Fragebögen, die am Ende niemanden interessieren.

Zur PersonUlrich Streibl (*1966) ist seit 2020 im Vorstand der Ökostrom AG. Zuvor war der gebürtige Bayer Finanzchef bei Eon, Strategiechef der OMV und Leiter des Geschäftsbereichs Wirtschaft im Umweltbundesamt. Streibl lebt mit Frau und drei gemeinsamen Kindern in Wien.

von Matthias Auer

Die Presse